: Und nochmal: „Run, Jesse run!“
Jesse Jackson erwägt eine Kandidatur als Bürgermeister in Washington D. C. ■ Aus Washington Stefan Schaaf
Jesse Jackson, den zweimaligen Präsidentschaftsbewerber der Demokratischen Partei, zieht es immer noch in die US -Bundeshauptstadt Washington. Allerdings gilt sein Augenmerk offenbar nicht mehr unbedingt dem Weißen Haus allein. Die City Hall, das Rathaus Washingtons, so steckten Jackson -Freunde der Presse, sei eine mögliche Alternative für den ebenso charismatischen wie ambitiösen Politiker. Er habe noch keine Entscheidung gefällt, ob er in Washington kandidieren werde, warnte Jackson, doch er habe die Möglichkeit mit einem weiten Kreis von Beratern diskutiert, die ihn ausnahmslos zu einer positiven Entscheidung ermunterten.
Jacksons Rivalen in der Demokratischen Partei fiel angesichts dieser Nachricht hörbar ein Stein vom Herzen. Falls Jackson im November 1990 die Wahl in Washington gewinnt, kann er kaum ein halbes Jahr später eine dritte Kandidatur für das Weiße Haus einleiten. Der Partei bliebe damit eine abermalige bittere Debatte über ihre Fairneß gegenüber einem schwarzen Präsidentschaftsbewerber erspart. Bis 1990 könnten sich andererseits Jacksons Chancen auf das Weiße Haus nur verbessern, hätte er doch bis dahin seinen Kritikern beweisen können, daß er nicht nur Massen anfeuern, sondern auch eine Stadt mit einem Vier-Milliarden-Dollar -Budget und fast 50.000 Angestellten verwalten kann.
Die Fragen über Jacksons Absichten kamen auf, nachdem er vor einigen Monaten ein 1985 erworbenes leerstehendes Haus in Washington zu renovieren begonnen hatte. Immerhin ist ein Wohnsitz im „District of Columbia“ Voraussetzung, um dort kandidieren zu können. Doch unabhängig davon war der Ruf nach einer Jackson-Kandidatur angesichts der Schwierigkeiten des gegenwärtigen Bürgermeisters Marion Barry in den letzten Monaten häufiger laut geworden. Barry wird nicht nur mit Klagen über seine korrupte und unfähige Verwaltung der Stadt überhäuft. Ihm wird besonders seine hilflose Reaktion angesichts der Kriminalitätswelle in Washington vorgeworfen. Kokain und Crack haben die vor allem von Schwarzen bewohnten ärmeren Stadtteile der Bundeshauptstadt in einen urbanen Alptraum verwandelt - in den ersten vier Monaten dieses Jahres forderte der Krieg der Drogenhändler bereits 195 Todesopfer. Einige Bekannte Barrys sind als Drogendealer aktenkundig, und Barrys Gegner sagen ihm nach, daß er selbst Kokain-Erfahrung habe. Barrys Wiederwahl ist deswegen erstmals seit seinem Amtsantritt 1987 fraglich geworden, einige RivalInnen buddeln bereits die Startlöcher für ihre Kampagnen.
Jackson möchte seinen alten Freund und Mitkämpfer aus Zeiten der Bürgerrechtsbewegung allerdings nicht gegen dessen Willen aus dem Amt schubsen - ein ehrenvoller Abgang muß deswegen gefunden werden. Barry müsse Optionen haben und mit Würde behandelt werden, meint Jackson. Falls der abgehalfterte Bürgermeister bei einer Stiftung oder Universität unterkommt, ist Jacksons Weg in die City Hall frei. In einer zu siebzig Prozent schwarzen und traditionell demokratisch wählenden Stadt hätte niemand eine Chance, ihn zu schlagen.
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