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Eine Berliner Institution

Geb. 1923 als Hans Otto Wolfgang Neuss in Breslau. Brennt mit 15 durch, will Clown werden. Der Ausflug endet in der Verwahranstalt. Während des 2. Weltkrieges schießt er sich den Zeigefinger der linken Hand ab, um von der Front wegzukommen. Wird Lazarettkomiker, tritt in Internierungslagern auf. Nach dem Krieg tingelt er mit dem „Reichskabarett der Komiker“ durchs Land. 1950 werden Neuss und Wolfgang Müller für das Kabarett „Die Bonbonierre“ engagiert, im selben Jahr ersteht Neuss für 15 Mark seine Trommel.

Der Mann mit der Pauke wird - vor allem in Berlin berühmt, macht Filme, Werbung, Regie, Kabarett, spielt Moliere und Lessing. 1953 erstes Duo-Programm des doppelten Wolfgang: Zwischen Tür und Angel. 1955 macht die Neuss -Müller-Mitternachtsshow Schieß mich Tell Furore. Erste Zensur: SFB-Intendant Braun täuscht eine technische Störung vor und verhindert so einen Neuss-Liveauftritt im Fernsehen. 1957 Das Wirtshaus im Spessart. 1958 und 59 die Neuss -Komödien Tu's nicht ohne Liebe und Zwei Berliner in Paris. 1960 kommt Wolfgang Müller bei einem Flugzeugabsturz ums Leben, Neuss dreht Wir Kellerkinder und zieht mit dem Film über Land. 1962 verrät er den Mörder des TV-Durbridge und handelt sich damit Morddrohungen ein. In den folgenden Jahren wird er mit seinen Soloprogrammen Das jüngste Gerücht, Neuss Testament und Asyl im Domizil zu Deutschlands Kabarettisten Nr.1. Wegen Anti -Springer-Aktionen und Teilnahme an Vietnam-Demos schließt die SPD ihn 1966 aus, Kabarettfernsehsendungen werden abgesetzt. Neuss verläßt Berlin, sein Tablettenkonsum steigt. Nach der Rückkehr bekennt er sich 68 zur APO, ist mit Biermann und Dutschke befreundet, macht Südamerikareisen. In den siebziger Jahren Auftritte bei den Berliner „Stachelschweinen“, wegen Drogenbesitzes wird er zu acht Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt. In den letzten Jahren machte er durch Fernsehauftritte von sich reden, sein Disput mit Richard von Weizsäcker in der Talkshow Leute (1983) galt als Fernsehshow des Jahres. Lebte zurückgezogen in der Charlottenburger Lohmeyerstraße, wer ihn hören, interviewen, filmen wollte, mußte in seine Wohnung kommen. Der 'Stern‘ druckt seine Sprüche, die taz Kolumnen, Neuss-Texte erscheinen auf Kassette.

Die Kabarettistin Hannelore Kaub berichtete am Samstag, Neuss‘ Gesundheit habe sich in den letzten Monaten dramatisch verschlechtert, und er habe wegen seines Unterleibskrebses zunehmend unter krampfartigen Schmerzanfällen gelitten. Ins Krankenhaus wollte er aber nie gehen. Kaub hatte zusammen mit Freunden wie Dieter Hildebrandt deshalb bereits den Präsidenten der Ärztekammer um Hilfe gebeten.

Aber zu spät. „Die große Schandschnauze mit dem hellen Kopf und dem schnellen Witz gibt es nicht mehr“, erklärte Dieter Hildebrandt zum Tod seines Kollegen. „Er hat uns bis zum letzten Tag mit seinem Rat, mit schlechter und guter Kritik verfolgt.“ Bürgermeister Walter Momper sprach von Neuss als einer „Berliner Institution“: „Ein großer Verlust für das kulturelle und politische Leben Berlins... Seine Respektlosigkeit gegen Politiker aller Couleur und seine Attacken gegen die satte Wohlstandsgesellschaft haben oft gesessen und nachdenklich gemacht. Wolfgang Neuss war ein Rebell, der uns Spaß gebracht hat“.

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