: Rafsandschani: Mal hüh, mal hott
■ Iranischer Parlamentspräsident dementierte sich selbst und will Palästinenser nicht zum Mord aufgerufen haben
Teheran/Berlin (afp/taz) - Ein kleiner Unterschied in der Haltung führender iranischer Politiker offenbarte sich am Mittwoch: Während der Mordaufruf von Revolutionsführer Khomeini gegen den Autor Salman Rushdie noch steht, distanzierte sich Parlamentspräsident Rafsandschani von seinen eigenen Worten auf dem letzten Teheraner Freitagsgebet. Er hatte die Palästinenser aufgerufen, für jeden in den israelisch besetzten Gebieten getöteten Araber fünf Amerikaner, Briten oder Franzosen umzubringen. Die Kehrtwende des opportunistischen Machtpolitkers erfolgte kurz nach einem Appell des französischen Außenministers Roland Dumas, die EG solle möglichst schnell über den Mordaufruf Rafsandschanis beraten. Nun möchte der Parlamentspräsident selbst nichts mehr davon wissen. Er sei „falsch zitiert“ worden, erklärte er, und: Wenn Palästinenser einen Zivilisten töteten, würden sie sich eine Blöße geben. An die Adresse des Westens gerichtet, sagte er: „Sie haben ihre eigenen Worte benutzt und behauptet, ich hätte zum Mord an unschuldigen Zivilisten aufgerufen. Ich weiß nicht, vielleicht kann man das aus meinen Erklärungen lesen. Vielleicht hat mein Ton glauben lassen, ich würde Ratschläge geben.“ So falsch waren die Zitate also offenbar doch nicht.
Das Motiv für die Wende Rafsandschanis dürfte darin liegen, daß eine aus innenpolitischen Gründen gemachte Äußerung außenpolitische Wellenschläge hervorgerufen hat, die den Iran nach der Rushdie-Affäre nur noch weiter in die Isolation zu treiben drohten. Im Zuge des Vorwahlkampfes der Parlamentspräsident möchte nächster Staatschef mit erweiterten Kompetenzen werden - ist das Teheraner Freitagsgebet, das in Rundfunk und Fernsehen übertragen wird, eine gute Tribüne, sich ins Gespräch zu bringen und mit radikalen Sprüchen um Anhänger zu werben. Dies umso mehr, als auch Mitarbeiter Rafsandschanis aus der Irangate -Zeit Opfer der jüngsten Säuberungswelle in Marine und Armee wurde, wie beispielsweise der Marine-Kommandant Hakimi, der damals in geheimer Mission nach Genf reiste. Doch an einer erneuten Konfrontation mit dem Westen konnte der Pragmatiker kaum Interesse haben. Im Iran war Rushdie schon kein Thema mehr, als hier noch die Wogen der Empörung hochschlugen. Nachdem fast alle EG-Botschafter wieder in Teheran sind, ist Iran für Politiker wie „Rafsandschani stillschweigend zur Normalität zurückgekehrt.
b.s.
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