: Hochschul-Autonomie
■ Alle wollen das gleiche, aber ist es dasselbe?
Der rot-grüne Senat ist mit dem Anspruch aufgetreten, die Autonomie der Universitäten zu stärken. Gleichzeitig ist es der Hauptanspruch der Universitäten, sich frei von staatlichen Eingriffen entwickeln zu können. Die Stärkung der Autonomie war außerdem eines der Hauptziele der Streikbewegung. Alle wollen das gleiche, aber ist es dasselbe?
Autonomie bedeutet Unabhängigkeit, sagt der Duden, das Recht auf Selbständigkeit - fragt sich nur, für wen? Die Streikforderungen des Wintersemesters nach Autonomie der Hochschulen war untrennbar mit der Forderung nach Demokratisierung dieser Institutionen verbunden. Ohne die Einführung mindestens der Viertelparität sei die Autonomie der Hochschulen eine reine Autonomie der Hochschullehrer, formulierten die Streik- und Besetzungsräte.
Die Regierungskoalition will nun die Fachbereiche gegenüber der Universität stärken. Dezentralisierung heißt das Schlagwort. In den Fachbereichen sitzen jedoch die Professoren - wie die Hennen auf dem Ei. Nach dem Berliner Hochschulgesetz haben sie die Mehrheit in allen Gremien. Daran wird auch die angekündigte Gesetzesnovelle aufgrund der Vorgaben des Hochschulrahmengesetzes wenig ändern können. Die Forderung aufzustellen, dem Mittelbau das Prüfungsrecht einzuräumen oder Tutorien ohne professorale Aufsicht einzurichten (autonome (!) Seminare), kommt auch nach dem Streik immer noch einem Sakrileg gleich. Rechte und linke Professoren sind sich hier über Parteigrenzen hinweg in ihrem Standesdünkel einig.
In den Koalitionsvereinbarungen sind jedoch auch Ansätze erkennbar, die Organisation der Hochschule den Professoren zu entwinden, etwa durch Einführung viertelparitätisch besetzter Institutsräte. Langfristige Politik wird an den Hochschulen aber vor allem über Berufungen gemacht. Die Berufungslisten werden von Kommissionen erstellt, in denen Professoren in der Mehrheit sind. Unter Senator Turner waren Abweichungen von diesen Listen an der Tagesordnung. Die neue Senatorin will nun aufgrund dieser schlechten Erfahrungen Berufungsvorschlägen der Universitäten folgen. Bleibt die Senatorin bei dieser angekündigten Praxis, haben Minderheitenvoten, die das Gesetz vorsieht, weiterhin keine Chance. Einsprüche der anderen Gruppen müssen deshalb in Zukunft beim Wissenschaftssenat stärkere Beachtung finden und auch durchgesetzt werden. Alles andere wäre ein Schritt zurück auf dem Weg zur Ordinarienuniversität.
Eines sollte man dabei nicht übersehen: Unsere Wissenschaftssenatorin ist auch Professorin...
Markus Bodenmüller (Studentischer Vertrete
im Kuratorium der TU
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