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Design oder Müllberg?

■ Sich an den eigenen Haaren aus dem Schlamassel ziehen / Die „Off/On“, das erste Kreativ-Spektakel in Bremen, ist ein Projekt des Designer-Nachwuchses / Zwei Tage gestaltetes Fest im Schlachthof

Wer ist eigentlich Design? Ist das jemand Bekanntes? Eine Politikerin? Sport? TV? Ach, gar niemand, nicht mal ein klitzekleines Persönchen, auch kein Getränk, kein Musikinstrument, kein Kleidungsstück, überhaupt keine Substanz, keine Sache, keine Handlung - das alles ist Design nicht. Design ist das Credo des modernen Menschen, ist der Grund für ein neues Auto, der Unterschied zwischen Schund und

Markenartikel, ist Zeichen system und damit Erkennungszeichen. Design hat eine Bedeutung wie noch nie, ist allumfassend und gleichzeitig separierend. Design ist ein Wirtschaftsfaktor, hält den Umsatz auf Touren, Design verfolgt Moden und steht als Prinzip unveränderlich hinter ihnen.

Zumeist und landläufig ist Design also die Kunst, industriell gefertigte Produkte so zu gestalten,

daß sie 1. funktionieren und 2. die Geschmäcker nicht beleidigen und daher 3. gekauft werden. Design in diesen Funktionen spielt sich verborgen in den Planungs-Werkstätten der Industrie ab und verhält sich zur Bildenden Kunst wie die Pflicht zur Kür. In den letzten Jahren hat sich zugetragen, daß immer mehr Designer nicht direkt von ihren Ausbildungsplätzen an die Zeichentische der potenten Ideenverwerter übernommen wurden und so werkeln viele junge, kreative Gestalter in ihrem Umfeld, arbeiten mit handwerklichen statt industriellen Methoden und bewahren sich so gezwungenermaßen eine Freiheit, die in gewissen Nischen wiederum sich sogar wirtschaftlich rechnet.

Eine Gruppe von Bremer Designern um die Multivisionskünstler und Fotografen Christiane Böttcher und Thomas Tiensch hat sich nun zum Ziel gesetzt, das Ghetto -Dasein zu durchbrechen und mit ihren Ideen eine breite Öffentlichkeit zu erreichen. Zu diesem Zweck veranstalten sie am 19./20. Mai auf dem Gesamt-Gelände des Schlachthofs ihr „Krea

tiv-Spektakel“ mit dem Titel „Off/On“. Mehr als vierzig ihrer Kollegen aus der Grauzone arbeitsloser und deshalb besonders produktiver Gestalter, die in einer ähnlichen Situation stecken, und wie sie von gemeinsamen Projekten neue kreative Schübe und eine größere Öffentlichkeit erhoffen, nehmen nun an dem Design-Festival teil.

„Schönheit soll in diese Welt gebracht werden“, verkünden missionarisch die Veranstalter, ihnen ist die Welt überfüllt mit schlecht gestalteten Schmuddelwaren, die auf grund ihres minderwertigen Materials und der geringen Bindung, die man zu einem schlecht gestalteten Objekt entwickelt, die weltweiten Abfallberge ungesund aufblähen. Dem steuere, so argumentieren sie gutes Design gegen. Darüberhinaus ließen sich am Design aktuelle Trends und Lebensgefühle nachweisen, Design sei ein Indikator für die aktuelle Befindlichkeit des Zeitgeistes.

Auf der „Off / On“ werden alle Bereiche aktuellen Designs vertreten sein, das Spektrum reicht von ganz praktischen Ideen im

Bereich der Alltagsmode über benutzbsare Möbel aus Naturstoffen oder Metall, über Schmuckdesign bis zu reinen Kunstproduktionen und modischen Kreationen.

Die beiden Tage des Spektakels sollen gefüllt sein mit Reizen, die „Off / On“ von einer Produktmesse unterscheiden. Da einer der Schwerpunkte des Schaffens der beteiligten Designer die Mode ist, wird deren Darstellung bei der Gestaltung der Abendprogramme jeweils einen breiten Raum einnehmen. Darüber hinaus werden jedoch auch die Objekte, die dem Gebrauch eher abhold sind, und einem Kunstideal sich verpflichtet fühlen, in entsprechenden Performances ihren jeweiligen Reiz ausspielen. Die Zusammenarbeit zwischen den Designern der verschiedensten Sparten auf diesem Gebiet der künstlerischen Darbietung ist jedenfalls ein Motiv der Initiatoren der „Off / On“. Darüberhinaus wünschen sie sich, daß der Zusammenhang, den das gemeinsame Ausstellungsprojekt begründet hat, sich als längerfristig tragfähig erweist. ste

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