: Zum Totlachen traurig
■ Die schwule Londoner Theater-Truppe Bloolips erfreute das Bremer Schauburg-Publikum wüst und geschmacklos
Warum kennen wir hier sowas nicht? Traurig, wahr, aber es ist so, der Deutschen Humor ist seltsam, und wenn er auf die Bühne geht, dann will er uns in aller Regel belehren, uns ein kleines Stück erziehen, damit wir bessere Menschen werden. Als wenn das noch ginge. Lauter arbeitslose Lehrer eben, diese Schauspieler heutzutage. Da sind die Briten anders, rauher, anarchischer, mehr im eigenen Leben stehend und wenn sie obendrein schwul sind, wie die vier Herren von der Comedy-Show „Bloolips“, dann haben sie von der Welt der „straights“, der Heteros, die Schnauze voll genug, um sich nicht mehr um diese zu scheren. Schrill, bunt, geschmacklos bis zum Gehtnichtmehr, laut chansonsträllernd und mit den abgeschmacktesten Gags um sich werfend, reflektieren die Bloolips so selbstbewußt wie - ironisch auf der Bühne ihre Situation als zunehmend diskriminierte Minderheit im Zeichen einer lebensbed
rohenden Krankheit.
„Die Krankheit hat das Lebensgefühl der Schwulen völlig verändert“, resümiert Bette Bourne, der Chef und Initiator der Bloolips, mit 50 Jahren ein nachdenklicher junger Mann. „Du siehst, wie um dich herum die Leute sterben, Freunde, du mußt dich mit dem Tod beschäftigen und das in einem Alter, wo andere das nicht tun. Ray Dobbins zum Beispiel, der Autor dieses Stückes, hat in New York fast fünfzig Freunde verloren und konnte es nicht mehr aushalten. Daraus entstand dann das Stück, aus den kleinen Fluchten aus dieser Welt, weil man sie einfach nicht mehr aushält.“ Die Stationen des Stücks sind metaphorisch: das Verschwinden eines Freundes, die Seancen bei Madame Blavatski, .der Fall aus dem Himmel beim Gedanken an Mrs. T. und Herrn K., die Regierungschefs, alles trägt Bedeutung wie ein Knittelvers, dreimal durchgekocht und nicht für die Sinnhuber gemeint. Lachen, über die eigene
Situation, Lachen, so sehr das unangebracht ist, Lachen, um die Panik zu verlieren, um für einen Moment die Schmerzen nicht zu spüren, die bestimmte Therapien verursachen, Lachen um zu leben, darum geht es. ste
heute nochmal, 23 Uhr Schauburg
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