Der Limbach ist zu seicht

■ Heftiger Unmut in beiden Koalitionsparteien an der Justizsenatorin / Sie wird für zaghaft, ängstlich und risikoscheu gehalten / Personalpolitik verhindert Reformen

Justizsenatorin Jutta Limbach steht unter Beschuß. Parteienvertreter von AL und SPD bis hinauf zur höchsten Funktionärsebene sind stinksauer, was die Strafvollzugspolitik der Senatorin betrifft. Dreh- und Angelpunkt sind die in der Koalitionsvereinbarung festgelegten Reformen des Knastwesens. Daß die Haftanstalten von heute auf morgen umgekrempelt werden können, davon geht in der SPD und AL niemand aus. Erwartet werden nach zweimonatiger Amtszeit jedoch richtungsweisende Signale, die keinen Zweifel daran lassen, daß der rot-grüne Senat die Reformen ernsthaft in Angriff nimmt. Nachdem davon nichts zu spüren war, können sich Parteienvertreter und Basis nicht mehr des Verdachts erwehren, daß die Senatorin überhaupt keine Reformen duchsetzen will oder nur solche, von denen keiner was merkt.

Am deutlichsten wird dies durch die Personalpolitik der Senatorin. Ausgerechnet der Mann, der für die SPD in Sachen Strafvollzug am maßgeblichsten an den Koalitionsverhandlungen beteiligt war und der in den Augen der AL als absoluter Garant für die Reformen gilt, wurde nicht in der Justizverwaltung eingestellt. Der Mann heißt Horst Detert, ist seit 20 Jahren im Strafvollzug tätig und derzeitiger Leiter der Freigängeranstalt Hakenfeld in Spandau. Detert gilt in den Kreisen fortschrittlicher Strafvollzugsexperten als eine Art Symbolfigur, weil er bekannt dafür ist, daß er macht, was er sagt. Doch die Justizsenatorin Limbach entschied sich ganz bewußt gegen diesen Mann, weil offenkundig war, daß es zwischen ihm und den alten Hardlinern in der Justizverwaltung ganz schnell zum offenen Konfikt kommen würde - und den will sie auf keinen Fall haben. So zum Beispiel mit dem langjährigen früheren Leiter der Abteilung V für Strafvollzug, Senatsdirigent Kurt Bung, dessen restriktive Politik zum Begriff wurde. Bung wurde von Limbach zwar versetzt, um die Abteilung III für Zivil- und anderes Recht aufzubauen, eroberte sich aber kurz darauf entscheidende Bereiche seiner alten Abteilung zurück: soziale Dienste, Strafvollstreckung und Gnadenbehörde. Der Grund, warum sie Bung überlassen wurden: Er hatte angedroht, vor dem Verwaltungsgericht zu klagen, wenn er nicht angemessen beschäftigt werde. Für den verbliebenen Rumpf der Abteilung Strafvollzug wurde der Amtsrichter Christoph Flügge zum Leiter erkoren. Flügge ist langjähriges Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen und Freund des früheren Oberstaatsanwalts und jetzigen Justizstaatssekretärs Wolfgang Schomburg. Beide gelten in SPD- und AL-Kreisen als überhaupt nicht risikofreudig und werden für denkbar ungeeignet gehalten, was das Aufknacken verkrusteter Strukturen betrifft. Flügge hält die Reformen nur durch langwierige Überzeugungsarbeit von Verwaltungs- und Knastmitarbeitern für durchsetztbar.

Aber AL und SPD wollen nicht vier Jahre warten, bis sich in den Knästen etwas tut. Die Diskussion in den Partei -Fachausschüssen ist bereits soweit gediehen, daß die Misere vor den Koalitionsausschuß - auch K.o.-Ausschuß genannt gebracht werden soll, wenn die Reformen nicht alsbald spürbar von Detert und anderen in verantwortlicher Position ins Rollen gebracht werden können. Die Ablösung des Moabiter Sicherheitsleiters Astrath und die der Tegeler Sicherheitstruppe wäre dann nur noch eine Frage von kurzer Zeit.

plu