Food-Design-betr.: "Plastikfutter aus der Euro-Küche", "Lebensmittel vom Reißbrett", taz vom 13.5.89

betr.: „Plastikfutter aus

der Euro-Küche“, „Lebensmittel vom Reißbrett“,

taz vom 13.5.89

Ist es inzwischen auch in der „Linken“ guter Brauch, die nationale Agrarlobby in ihrem hohen Streben nach „Qualität, Verbraucherschutz und lauteren Wettbewerb zu unterstützen, damit sie auch künftig die Sojaproduktion, vorwiegend aus den unterentwickelt gehaltenen Agrarländern, als minderwertiges Viehfutter ihren intensiv gehaltenen Milch und Fleischfabriken einverleiben kann, anstatt sie, mit einem Mehrfachen an Kalorien/Joule den VerbraucherInnen direkt zuzuführen? Soja als „Plastikfutter“, Sojagetränke als „Milchimitate“, „echte Butter“ gegen „billigeres Sojaöl“: ein Hohn auf alle Erkenntnisse, die die Ökobewegung dank des letzten Restchens von Verstand, das aus den Freß und Intensivhaltungsorgien seit den fetten Fünfzigern gegen die massenproduzierenden Agrarier - Hand in Hand mit den hormon- und pharmazeutikaproduzierenden Chemieriesen übrigens - mühsam bewahrt und wiederbelebt wird. Wenn A.Fink der „traditionell schlafmützigen“ Verbraucher-AG die Denaturierung von Soja „entgegenhält“, dann sei, mit Verlaub, nach dem „Natur„-Gehalt von H-Milch, Phosphat -Wurst, Zucker-„Frucht„-Joghurt, „Schmelzkäse“ u.ä. ebenso gefragt, wie sich der hier so honorig-neutral erscheinende Landwirtschaftsminister nach den “'eindeutigen‘ Vorschriften“ zur Kennzeichnung von „Konservierungsmitteln“, „Farbstoffen“, „Emulgatoren“, vor allem aber auch der Rückstände aller Art in der „echten, guten Milch“ fragen lassen muß.

Wie könnt ihr diesem dümmlich-nationalistischen Getue auf den Leim gehen und alle die Bauern, die mit vollem wirtschaftlichen Risiko aus diesem Dunstkreis von Lüge und Heuchelei ausbrechen, und die dabei alle Mühe haben, ihre Produkte mit geschützten Markenzeichen auf dem verlogenen „nationalen Markt“ zu plazieren (siehe die „Bio„-Regale in den Großmärkten), derartig in die Ecke stellen? Ganz zu schweigen von dem Tritt, den ihr denen versetzt, die in der Soja-Debatte die Interessen der ausgepowerten Landwirtschaft der „Dritten Welt“ vertreten, die gezwungen ist, ihre Produkte zu Spottpreisen der Agrarindustrie zwecks „Veredelung“ - da in Minimalisierung des gelieferten Nährwerts zugunsten „echter“ Gaumenfreuden, siehe oben - in den Rachen (des Milch- und Fleischviehs) zu werfen - eine Frechheit ist die Gleichsetzung von Soja mit „Plastik“.

Ihr tut so, als seien die „Food-Designer“ nicht bei jeder Boulette und Bratwurst, bei jedem „Käse-Eckchen“ und „kleinem Steak“ aus Zucker-Quark und bei jeder „Milch -Schnitte“ längst am Werk gewesen - und als gebe es nicht die in jedem Bioladen und Reformhaus zu bestaunenden Tofu und Pastetenprodukte aus „billigem, geschmacksneutralem, universell einsetzbarem“ Soja, die manchem allmählich zur Vernunft kommenden Verbraucher die Ernährungsumstellung erleichtern - dank findiger Naturkost-„Designer“.

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Karlheinz Schmück, Mühlheim