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„Wir sind so gut wie die Schweden“

Gespräch mit Anja Wilhelm, ehemalige Spitzenturnerin des Deutschen Turnverbandes  ■  I N T E R V I E W

taz: Anja, du wurdest bei der letzten Europameisterschaft in Moskau vor zwei Jahren Bronzemedaillengewinnerin am Schwebebalken. Wie siehst du die EM '89?

Anja Wilhelm: Ich bin ganz hingerissen von der Fortentwicklung an diesem Gerät. Wenn ich mit einem guten Trainer hätte weiterturnen können, hätte ich mir zugetraut, nochmals unter die ersten 15 zu kommen. Ich hätte motiviert werden müssen nach der EM '87.

Du hörtest Ende 87 auf, weil dich die Situation im Verband genervt hat.

Nach Moskau habe ich keine Perspektiven mehr gesehen. Ich hätte mit Herrn Hornig nach Seoul fahren müssen. Dieser Reinhard Hornig, der jetzige Bundestrainer, hat mir -wie ich über meinen Masseur erfuhr- in Moskau gewünscht, daß ich meine Balkenkür verturne. Da war's aus. Jedes Vertrauensverhältnis war zerstört. Mit so einem Mann kann ich mich nicht auf Wettkämpfe vorbereiten. Er treibt dasselbe Spiel auch mit anderen Turnerinnen.

Kannst du Namen nennen?

Isabel Apel, die aufhörte, nachdem er sie in einem Hotelzimmer eingesperrt hatte, oder Michaela Mann. Letztere

-sie wäre wohl hier in Brüssel mit dabeigewesen - war ganz versessen, in den WM-Kader für Stuttgart zu kommen. Herr Hornig hat dauernd an ihr herumgenörgelt und durch unkorrekte Wettkampfbetreuung - sie mußte eine Übung turnen, die sie nicht beherrschte - hat sie sich einen Bänderriß im Fußgelenk zugezogen.

Gibst du Herrn Hornig die ganze Schuld? Seit er Bundestrainer ist, hören immer mehr Turnerinnen auf.

Herr Hornig war früher Jugendtrainer. Aus seinem Bereich kommt niemand nach, niemand, einfach niemand. Der Trainer ist zwar die Hauptperson, aber er ist nicht alleine schuld. Die ganze Organisation: Trainerausbildung etc. Wir sind nicht nur in einem Loch, wo es irgendwann wieder rausgeht. Nicht das kleinste Licht ist zu sehen. Für die WM in Stuttgart sehe ich ganz schwarz. Früher war es ein Witz: „Wir sind so gut wie die Schweden“. Heute ist es eher Lob.

Hast du Vorschläge für die Zukunft?

Maria Cosma hat vor einer Woche in Frankfurt ihre Tätigkeit als Honorartrainerin gekündigt. Vielleicht hält sie es dort, wo hauptamtliche Trainer ohne Turnerinnen herumsitzen, nicht mehr aus. Man darf sie nicht so verkommen lassen. Sie hat Weltklasseturnerinnen wie Szabo und Silivas hervorgebracht. Zur Zeit reist sie von Heimtrainer zu Heimtrainer. Dort könnte sie Unterstützung finden und, verstärkt von dem einen oder anderen, auf Bundesebene wirken. Eine andere Möglichkeit sehe ich zur Zeit nicht.

Interview: Thomas Schreyer

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