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Nicaraguas Opposition vom Spaltpilz befallen

Sandinisten gewannen die Wahlen an den Universitäten / Zu den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im Februar 1990 sind 17 Parteien zugelassen, darunter vier konservative, drei liberale, drei sozialdemokratische und zwei christlichsoziale  ■  Aus Managua Ralf Leonhard

Zweidrittelmehrheit für die Sandinisten. Die Opposition von rechts bis links muß zähneknirschend nicht nur ihre Niederlage eingestehen, sondern auch öffentlich bescheinigen, daß die Wahlen ohne jeden Makel abgelaufen sind. Das ist nicht nur der Traum der nicaraguanischen Regierung, die sich für die großen Wahlen vom kommenden Februar rüstet, sondern auch das Ergebnis der Studentenvertretungswahlen, die letzte Woche an allen Hochschulen des Landes über die Bühne gegangen sind. In politischen Kreisen werden die Studentenwahlen als Stimmungsbarometer für die Schicksalswahlen in neun Monaten betrachtet, die einem Plebiszit über den Erfolg von zehn Jahren Sandinismus gleichkommen werden.

Insgesamt 17 Parteien werden sich beteiligen. Das steht fest, seit der Nationale Parteienrat (CNPP) am Mittwoch über die Legalität von bisher noch nicht anerkannten Parteien entschieden hat. Fünf Gruppierungen bekamen die Rechtspersönlichkeit zugesprochen, sechs weitere Parteien oder Abspaltungen sind gescheitert. Darunter die Christdemokratische Partei von Agustin Jarquin, die auf Betreiben des Rivalen und ehemaligen Parteifreundes Erick Ramirez ausgeschlossen wurde. Der CNPP urteilte, daß sich die Parteistatuten und das Emblem zuwenig von dem der Christlichsozialen Partei (PSC) von Ramirez unterschieden. Diese erfreut sich der Anerkennung durch die Internationale Demokratische Union (IDU). Allerdings kontrolliert die Fraktion von Jarquin die radikale Parteijugend und das von der Konrad-Adenauer-Stiftung finanzierte Sozialforschungsinstitut INCESP - eine wichtige Pfründe für Parteifunktionäre. Jarquin, der Ende Mai auf Einladung der Stiftung zu einer Europareise aufbricht, will am 29. Mai dem bundesdeutschen Entwicklungsminister Jürgen Warnke sein Leid klagen. Denn für ihn ist die Nichtanerkennung seiner Partei einer Verschwörung der Sandinisten zuzuschreiben: „Sie wollen die Oppositionsparteien gegeneinander ausspielen.“

Wenn das tatsächlich der Plan der Sandinisten sein sollte, so wird es ihnen zumindest nicht schwer gemacht. Denn die meisten Entscheidungen des CNPP wurden einstimmig, also mit Billigung der vier dort vertretenen Oppositionellen, gefällt. Außerdem kann an der Seriosität einiger Parteien gezweifelt werden. Die Listen der erforderlichen Vertreter in den Provinzen wurden von manchen offenbar ohne Rücksprache mit den angeblichen Funktionären gefüllt. So fand sich ein Herr Fernando Nunez aus Leon auf den Vorstandslisten von nicht weniger als drei Parteien unterschiedlicher ideologischer Ausrichtung. Und der Chef der Zentralamerikanischen Unionspartei (PUCA) Alejandro Perez Arevalo, der von seinen Parteifreunden ausgebootet worden war, gründete im Warteraum des CNPP kurzerhand eine Ökologenpartei.

Die Sandinisten fürchten, daß sich eine chancenlose Rechtsopposition im Laufe des Wahlkampfes so wie schon 1984 unter lautstarkem Protest zurückziehen und damit die Legitimität des Wahlergebnisses international in ein schiefes Licht rücken könnte. Vom Sauberkeitszertifikat des westlichen Auslandes wird aber die dringend benötigte Wirtschaftshilfe abhängen. Deswegen ist der Regierung daran gelegen, daß es zu jeder Partei eine rivalisierende Fraktion gibt, die einem Boykottaufruf nicht Folge leisten würde. Nachdem zwei christdemokratische, eine konservative, eine liberale, eine sozialdemokratische und die ideologisch undefinierbare Ökologenpartei durchgefallen sind, bleiben immer noch vier marxistische, drei konservative, drei liberale, drei sozialdemokratische und zwei christlichsoziale Parteien übrig, die die Sandinisten aus dem Sattel heben wollen. Die Linksparteien haben Zuwachs bekommen seit sich eine Abspaltung der trotzkistischen PRT mit ein paar sandinistischen Dissidenten und einer Gruppe von Kommunisten in der Revolutionär-Demokratischen Union (URD) zusammengeschlossen hat. Den Kommunisten war die Eigenwilligkeit Generalsekretärs Eli Altamirano zu weit gegangen. Der hatte sich in Guatemala öffentlich mit Contra -Chef Enrique Bermudez verbrüdert.

Momentan hat es den Anschein, als wollten sich alle Parteien am 25. Februar 1990 zur Wahl stellen. Die CIA-nahe US-Stiftung „National Endowment for Democracy“ ist darum bemüht, aus dem wackligen taktischen Bündnis von 14 Parteien eine dauerhaftere Allianz zu schmieden. Auch die Mehrzahl der politischen Contra-Führer will sich im zivilen Wettstreit versuchen. Gleichzeitig bauen die Rechtsparteien schon jetzt für ihre gar nicht so unwahrscheinliche Niederlage vor und beschuldigen die Sandinisten prophylaktisch, einen großangelegten Wahlschwindel vorzubereiten.

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