piwik no script img

Vertrauensperson in Blau?

■ Briefträger sollen der Informationen über Postkunden weitergeben, um der Deutschen Bundespost bei der Ermittlung von säumigen Zahlern behilflich zu sein

Sie haben ein neues Auto oder einen neuen Job, beziehen Rente oder leiden an einer schweren Krankheit? Dann sollten Sie dies alles lieber nicht ihrem Briefträger erzählen. Denn wenn Sie gleichzeitig versäumen sollten, Ihre Telefonrechnung zu bezahlen, könnte es sein, daß der nette Herr in Blau diese oder andere Informationen auf einem entsprechenden Formblatt der Beitreibungsstelle des Fernmeldeamtes vermerkt.

„Wir bitten Sie, anhand Ihrer Unterlagen (z.B. Nachsendungsanträge) und durch Befragung des zuständigen Zustellers die Rückseite dieses Formblattes auszufüllen“, heißt es auf Seite 1 des Formulars. Auf Seite 2 wird dann u.a. gefragt, ob der Schuldner eine eigene Wohnung hat oder zur Untermiete wohnt, welches Gewerbe er betreibt und bei welcher Firma er arbeitet. Unter „Sonstiges“ sollen dann diverse Informationen wie z.B. über Verschuldung, Krankheit, Alter des Schuldners, Zahl der Kinder, Kfz, Rente notiert werden.

Auch Briefzusteller Gerd N. (Name von der Redaktion geändert) fand eines Tages dieses Formblatt der Beitreibungsstelle auf seinem Arbeitsplatz. „In diesem Moment platzte mir der Kragen“, so Gerd N. „Für die Bürger ist der Postbote eine Vertrauensperson, der man schon mal einiges erzählt.“ Gerd N. arbeitet inzwischen nicht mehr als Briefträger. Er kündigte den Postdienst, weil er zwar Briefe austragen, aber keine Auskünfte über Postteilnehmer geben wollte.

Es werde kein Postbote gezwungen, daß bundeseinheitlich verwendete Formular der Beitreibungsstelle auszufüllen, erklärt dazu der Sprecher der Landespostdirektion Detlef Ullrich. Die Anfrage diene nur dazu, sämtliche Informationen zusammenzutragen, die es ermöglichen, den säumigen Schuldner aufzutreiben. Der Punkt „Sonstiges“ werde nur in Ausnahmefällen ausgefüllt, wenn es etwas „Außergewöhnliches“ gäbe, das in Verbindung mit anderen Informationen bei der Eintreibung der Schulden nützlich sein könne. So könne die Angabe „Schuldner bezieht Rente“ dem Beitreibungsbeamten den Hinweis geben, eine Forderungspfändung beim zuständigen Rententräger einzuleiten. Vermerke der Briefträger dagegen z.B. „sieben Kinder“, dann könne das in Kombination mit hohen Schulden die Beitreibungsstelle dazu veranlassen, die Forderung niederzuschlagen. Rechtlich sei gegen die Weitergabe personenbezogener Daten im öffentlichen Dienst nichts einzuwenden. Es würde, so Ullrich, dabei weder das Post- noch das Amtsgeheimnis verletzt.

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz vertritt jedoch die Auffassung, daß Informationen, die der Postzusteller im Rahmen seiner Amtsausübung wahrnimmt, der Amtsverschwiegenheit unterliegen sollten. Eine Informationsbeschaffung durch Postzusteller, die nicht ihrer eigentlichen Aufgabe - nämlich der Postzustellung - diene, würde nur das bestehende Vertrauensverhältnis zwischen Bürger und Zusteller beeinträchtigen. Hintergrund der Rüge im Datenschutzbericht: Die Bundespost hatte damals ihre Brief- und Paketzusteller aufgefordert, ihr die Anschriften von Neugeborenen mitzuteilen. Die Eltern sollten dann zur Einrichtung eines Postsparkassenbuches für das Kind gezielt beworben werden. Im schriftlichen Aufruf der Bundespost hieß es damals: „Die besten Anschriftenbeschaffer erhalten Geld bzw. Sachpreise.“

-guth

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen