: George Tabori
„Die Wirklichkeit zu finden, ist für mich die Hauptaufgabe, das Hauptproblem. Der Maler Bacon malt diese schrecklichen, entstellten Menschen, die für ihn schön sind. Er versteht nicht, daß das grauenhaft für andere sein kann. Er sagt, daß für ihn ein Bild immer durch die Gewalttätigkeit des Wirklichen entsteht. Er nennt das die plötzliche Eruption des Realen. Für mich geht es im Theater genau darum. Deswegen arbeite ich gern mit Elefanten, weil sie keine Kunstobjekte sind, man kann sie nicht inszenieren.“ Sagt George Tabori, Dramatiker, Regisseur, Drehbuchautor, Schriftsteller.
Geboren ist er in Budapest. Sein Vater und die meisten seiner ungarisch-jüdischen Familie wurden in Auschwitz ermordet, seine Mutter überlebte wie durch ein Wunder. Tabori selbst floh über Berlin, Wien und Prag nach London, arbeitete dort als Kellner, Koch und Auslandskorrespondent und während des Krieges als Geheimagent. Nach '45 geht er in die USA, wird Drehbuchautor in Hollywood, schreibt u.a. für Hitchcocks I confess, arbeitet mit Losey zusammen. Er ist befreundet mit Chaplin, mit den Manns, Adorno, Schönberg, Faulkner.
Seine erste Prosaarbeit erschien bereits 1943 in London, Beneath the Stone. 1952 wird in New York sein erstes Theaterstück, Flight into Egypt uraufgeführt, in den späten fünfziger Jahren führt er selbst Regie am Theater und arbeitet mit dem Actor's Studio und Lee Strasberg zusammen. Berühmt wird er 1968 mit seinem Stück The Cannibals, seiner ersten direkten Auseinandersetzung mit Auschwitz auf der Bühne. Ein Jahr später wird es in Berlin wiederholt, er kehrt nach Europa zurück.
Tabori, britischer Staatsbürger, schreibt auf deutsch und amerikanisch und spricht mit anglo-ungarischem Akzent. „Meine Heimat, sagt er, ist das Theater.“ 1971 inszeniert er in Berlin Pinkville, ein Anti-Vietnam-Trauerspiel über die Umfunktionierung eines naiven american boy in einen uniformierten Mörder. Von '75 bis '79 leitet er das Theaterlabor in Bremen, führt Siegmunds Freude auf und einen eigenwilligen Hamlet. Danach arbeitet er an den Münchner Kammerspielen, My Mother's Courage - ein Stück über seine Mutter und wie sie Auschwitz überlebte - ist umstritten wegen seines wenig pietätvollen Umgangs mit dem, was hierzulande Trauerarbeit heißt. Eigenwillig auch seine Variante der Medea nach Euripides, genannt M, mit dem behinderten Schauspieler Peter Radtke. Auch seine Arbeiten mit dem Wiener Theater „Der Kreis“, das seit 1987 Taboris Theater ist, sind alles andere als geschmackvolle Vergangenheitsbewältigung. Hier hat er Mein Kampf inszeniert, die absurd-groteske Begegnung Hitlers mit dem Juden Schlomo Herzl in einem Obdachlosenheim vor dem Zweiten Weltkrieg.
Zur Zeit führt „Der Kreis“ eine fünfstündige Shakespeare -Collage auf und ist mit der neuesten Inszenierung Masada auf Reisen, einem Stück über den Massenselbstmord von 960 jüdischen Aufständischen gegen die Römer im Jahr 73 nach Christus. Und zur Frage: „Warum hast du überlebt?“ (siehe taz vom 18.5.). Heute und morgen gastieren Tabori und „Der Kreis“ mit Masada im Berliner Hebbeltheater. George Tabori wird heute 75 Jahre alt.
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