Skepsis gegenüber Israels Friedensplan

Außergewöhnlich deutliche Worte der USA: Schluß mit „Groß-Israel„-Vision und Annexionsplänen / Diplomatische Offensive von Schamir, Arens und Rabin stößt in USA und Europa auf Zurückhaltung / Spannung in besetzten Gebieten wächst / „Wir sind im Krieg“  ■  Aus Tel Aviv Amos Wollin

Die diplomatische Offensive der israelischen Regierung, dem Westen einen Friedensplan für die besetzten Gebiete schmackhaft zu machen, stößt sowohl in den USA wie auch in Europa auf Zurückhaltung und Skepsis. Mit außergewöhnlicher Schärfe verlangte US-Außenminister Baker am Montag in Washington „jetzt und für immer“ das „Ende aller unrealistischen Visionen eines Groß-Israel“. Baker sprach vor der Jahrestagung der größten israelischen Lobby, dem „American Israel Public Affairs Committee“. Der US -Außenminister forderte auch ein Ende der israelischen Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten und warnte vor etwaigen Annexionsplänen. Applaus erntete er nur, als er deutlich machte, daß die USA einen unabhängigen palästinensischen Staat nicht zuließen. Zugleich appellierte Baker an die arabischen Staaten, der „abscheulichen“ Gleichsetzung von Zionismus und Rassismus abzuschwören und den Wirtschaftsboykott gegen Israel zu beenden. Israels Verteidigungsminister Rabin, der morgen mit Präsident Bush zusammentreffen wird, nannte in einer ersten Reaktion die Rede von einem „Groß-Israel“ angesichts seines kleinen Landes „ironisch“. Es gab Differenzen zwischen den USA und Israel über den Friedensplan zu und relativierte damit Äußerungen Außenminister Arens‘, der vergangene Woche noch von der „vollen und ganzen“ Unterstützung der USA gesprochen hatte.

Davon kann auch in London nicht die Rede sein, wo Premier Schamir bei Margaret Thatcher Unterstützung suchte. Der Friedensplan, der Wahlen in den besetzten Gebieten und eine fünfjährige autonome Übergangsperiode vorsieht, ist laut Thatcher „ein positiver Schritt“, aber ohne direkte Gespräche mit der PLO könne Israel keinen formalen Frieden mit seinen Nachbarn erreichen. Auf ähnliche Skepsis stieß Außenminister Arens bei einem Treffen mit den zwölf EG -Außenministern in Brüssel. Der Plan beinhalte „positive Elemente“, aber schon die erste Stufe - die Durchführung von Wahlen in den besetzten Gebieten - sei im Detail zu unklar.

In Israel versucht die Schamir-Administration unterdessen, besonders die Differenzen mit den USA unter den Teppich zu kehren. Die Rechte, bestehend aus „Gush-Emunim„-Siedlern, „Groß-Israel„-Lobbyisten und Konservativen in und außerhalb der Likud-Regierungspartei, lehnt den Friedensplan der Regierung ab. Ihrer Meinung nach sind schon Wahlen und eine Zwischenlösung „zu riskant“. Handelsminister Sharon, Rechtsaußen-Kritiker in den eigenen Reihen, sagte: „Was zählt, ist, was die Juden tun, und nicht, was die Goyim (Nichtjuden, d.Red.) sagen.“

In den besetzten Gebieten ist die Situation entsprechend gespannt. Gestern wurde ein Palästinenser aus dem Dorf Dura bei Hebron in der Westbank von einem Stein getötet, den ein jüdischer Lastwagenfahrer auf ihn warf. In Maale Adumim, einer jüdischen Siedlung außerhalb Jerusalems, riefen Siedler „Tod den Arabern“, nachdem Steine auf das Auto eines Siedlers geworfen wurden und die Insassen verletzt hatten. Der Bürgermeister des Dorfes, Tartmann, sagte: „Wir müssen drastischere Maßnahmen ergreifen. Wirtschaftlicher Druck gegen die Palästinenser half nichts, und auch die Zerstörung der Häuser war nicht genug. Wir müssen mehr Araber deportieren.“ Und ein anderer Bewohner meinte: „Wir befinden uns im Krieg mit Azaryieh“ - dem palästinensischen Nachbardorf.