: Blue Box: Video in der Weserburg
■ Squeezezangezaum
„Nach dieser Veranstaltung werden wir pleite sein“, meint eine der Veranstalterinnen scherzhaft. Der Grund? 'Blue Box‘ hat zu zweien seiner Videos den Videospezialisten Gianni Toti gleich miteingeladen. Der quirlige und sympathische alte Herr kommt eigens aus Rom angereist.
In der Videoszene ist der frühere Schriftsteller Toti, dessen weitgreifende Bildung ganz selbstverständlich in seine Arbeiten einfließt, eine Ausnahmeerscheinung. Zum Video kam er durch den staatlichen italienischen Fernsehsender RAI, der ihm vor knapp zehn Jahren das Angebot machte, sich auf dem neuen Feld zu betätigen. Lukrativ für ihn, weil ihm freie Hand gelassen wurde und er ohne Produktionszwang zu Forschungszwecken arbeiten konnte. Sein Hauptaugenmerk richtet sich darauf, der Neuerung, das geschichtliche, fest verwurzelte „menschliche“ Antlitz abzutrotzen. Eine 'transmentale‘ Sprache, das Übergreifende, den logischen Zusammenhang, den wollte er finden.
Und „Squeezezangezaum“, sein Video, beherbergt diesen Zusammenhang. Der Wortteil „Zaum“ geht auf den russischen Futuristen Velimir Chlebnikov zurück, der an der Erweiterung der individuellen Ausdrucksformen zu einer weltumspannenden 'Ersatz'-Sprache gearbeitet hatte, die er „Zaum“ nannte.
Kein Wunder, daß der neue italienische Futurist sich vieler Bilder aus der Filmgeschichte bedient. Dabei verzahnt sich eine Szene derart übergangslos in die nächste, daß nur im Gesamtzusammenhang die optische und suggestive Wirkung in aller Deutlichkeit zutage tritt.Toti arbeitet mit allen Mitteln der Simulation, mit der computergestützten Animation und Deformation und ist stets einen Schritt voraus. Längst scheint er sich von der Macht der verführerischen Möglichkeiten getrennt zu haben. Die audiovisuelle Vielfalt reduziert sich bei ihm auf die rein emotionale Ebene- für meine Begriffe die höchste Steigerung, die es gibt.
Gianni Toti wird nur am Donnerstag zu der Vorführung anwesend sein. Eine Diskussion mit ihm lohnt sich auf jeden Fall. Das garantiere ich. Roland Mayer
Weserburg, 21 Uhr
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