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Ohne Umwege zur Fabrik 2000

■ Wissenschaftler und Industrievertreter planen auf dem 6.Produktionstechnischen Kolloquium im ICC die Fabrik von morgen / Hochtechnologie als Wirtschaftskraft / Die Roboter von Professor Spur sollen künftig auch im Weltraum und unter Wasser arbeiten

Schon bei der Eröffnung vor drei Jahren wurden strenge Sicherheitsmaßnahmen getroffen. Bis heute ist das Doppelinstitut am Spreebogen, das aus dem Fraunhofer -Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK) und dem Institut für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik (IWF) der TU besteht, wohl das bestbewachte Institut der TU. Wer die Schranken und Kontrollen passiert hat, befindet sich an dem Ort, so der Leiter des Doppelinstituts, Professor Günter Spur, die „Fabrik der Zukunft modelliert wird“.

„Ohne Umwege zur Fabrik 2000“ heißt auch das Motto des 6.Produktionstechnischen Kolloquiums (PTK) vom 14. bis 16. Juni im ICC. Das Kolloquium, das alle drei Jahre stattfindet, richtet sich, so Spur, „in erster Linie an die Industrie“. Es diene dem Dialog zwischen Forschung und Praxis. Der Schwerpunkt liege in diesem auf dem Gebiet des Management. „Damit gehen wir einen Schritt in Richtung des arbeitenden Menschen“, behauptet Spur. Die früheren Kolloquien seien dagegen eher technisch orientiert gewesen. 1986 zum Beispiel lag der Schwerpunkt auf den Möglichkeiten des 'Computer Integrated Manufacturing‘ (CIM).

Zu dem Kolloquium werden 1.000 Teilnehmer erwartet, vor allem Industrievertreter. Daneben sind auch die Gewerkschaften vertreten, denn, so Spur, „nicht der Ingenieur allein entwickelt die Fabrik weiter“. Angesprochen sind vor allem Firmen aus den Bereichen Maschinenbau, Elektrotechnik und Fahrzeugbau - die auch die Forschungsschwerpunkte des Produktionstechnischen Zentrums bilden. Unter dem Stichwort „Hochtechnologie als Wirtschaftskraft“ werden u.a. die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Laser-, Informations- und Automatisierungstechnik sowie neue Werkstoffe diskutiert. Insgesamt, so Spur, würden auf diesem sechsten Produktionstechnischen Kolloquium Strategien für die nächsten drei Jahre entwickelt und festgelegt.

Auch außerhalb des Kolloquiums wird die Zusammenarbeit zwischen Forschung und Industrie im Produktionstechnischen Zentrum am Spreebogen täglich praktiziert. Der Haushaltsbericht 1988, den das Institut jetzt vorlegte, weist für das Fraunhofer-Institut Industrieaufträge in Höhe von über 10 Millionen Mark nach. 86 Prozent der Haushaltsmittel des IPK werden am Markt eingeworben, die 14 Prozent Grundfinanzierung trägt die Fraunhofer-Gesellschaft. „Das Verhältnis hat sich sehr günstig verschoben“, so Spur. Üblich sei bei den anderen Einrichtungen der Gesellschaft eine jeweils Drittelfinanzierung durch Industrie, öffentliche Forschungsgelder und die Fraunhofer -Gesellschaft. Auch das TU-Institut, das mit rund vier Millionen durch den Senat unterstützt wird, konnte über drei Millionen an Industrieaufträgen einwerben.

Wer läßt forschen bei Spur? „Wir haben eigentlich alle großen Firmen als Partner“, erklärt Spur-Mitarbeiter Seliger und zählt auf: „IBM, Digital, Nixdorf...“ Bekannt ist Spurs Engagement in der Automobilbranche, vor allem für VW. Aber auch kleinere Softwarehäuser und mittelständige Werkzeugmaschinenfirmen erteilen dem Produktionstechnischen Zentrum Forschungs- und Entwicklungsaufträge. Über die Hälfte der Industrieeinnahmen stammen aus dem Bereich der Elektro- und Rechnerindustrie, während der klassische Maschinenbau nur zu rund 15 Prozent beteiligt ist. Wachstumschancen liegen daneben laut Spur im Weltraum und unter der Meeresoberfläche. Spurs Roboter sollen demnächst im All Astronauten ersetzen. Ein Modell von LORA (Laboratorium für orbitale Automatisierungstechnik) kann bereits in der Produktionshalle am Spreebogen besichtigt werden. Kleine unbemannte U-Boote sollen künftig u.a. Bohrinseln warten.

Dies alles sei, so Spur, nur möglich, weil am PTZ interdisziplinär gearbeitet werde. „Damit meine ich zunächst die Interdisziplinarität der Ingenieure“, führt er aus. Der ideale Maschinenbauer der Zukunft müsse auf „drei Beinen“ stehen: er soll zum einen den Maschinenbau beherrschen, zum anderen betriebswirtschaftliches Wissen haben und als drittes ausgebildeter Informationstechniker sein. „Die Leute müssen lernen, in zwei Kategorien zu denken, denn in der Kombination liegt der Fortschritt.“ Inzwischen hat Spur in seinem Glaspalast sogar arbeitslose Sozial- und Geisteswissenschaftler integriert. Sie sollen u.a. Bedienungsanleitungen für die von Spur entwickelten automatisierten Produktionsanlagen schreiben oder Ausbildungsprogramme konzipieren, damit die Menschen in der Fabrik die teuren und komplizierten Maschinenanlagen richtig bedienen lernen. „Wir brauchen einen neuen Ausbildungsstand in den Fabriken“, so Spur, „aber die Menschen lernen nicht schneller als früher.“ Ein neuer Schwerpunkt des Produktionstechnischen Zentrums wird deshalb „Diensttechnik“ heißen und die Bereiche „Bildungstechnik“ und „Wissenstechnik“ umfassen. Leitung: Professor Dr.-Ing. Drs. h.c. Günter Spur.

-guth

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