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Ginsberg war da!

■ Beatnik-Guru eröffnete unerkannt im Fotoforum

Skandal! Hundert kamen, „Bremen goes Beatnik“, ins Fotoforum Böttcherstraße, den Papst-der-Beat-Generation und Poeten der Transavantgarde zu sehen, und Tatsache, Ginsberg war anwesend, aber niemand hat ihn erkannt! Schummerrotlicht, ein räucherndes Weihbecken, Harmonien der infernalischen Dry Halleys und Dieterle von der Shakespeare-Co., nur Schädel heute und blasphemisches Ferkelmaul, ein Teach-In findet statt, und unter heißer Dusche schwitzt das Publikum Hektoliter überflüssiger Nostalgie ab, um Ginsberg sehen zu können und nicht die verlorene Jugend.

Ginsberg ist nicht in diesen Drogen, die Ihr nie probiert habt, Ginsberg ist nicht in den Märchenländern, die Ihr nie saht, Ginsberg ist sowenig in Euren Seitensprüngen wie in Euren Schick-schick-Brillen, nicht in

Eurem zerfledderten Kerouac‘ und nicht im Heulen der elektronischen Liturgie. Selbst wenn Ihr zu den Fotos flieht, die Ginsberg zeitlebens aus seiner Kodak zog, um das heilige WIR singen zu können, werdet Ihr dort nichts finden außer Euren eigenen Kompromissen, Defiziten und Desastern. Everybody is just a little bit homosexual. Wer will denn da heute noch lang? 500 Schwänze lecken, 1000 gotteslästerliche Exzesse, x-mal Knast und Ekstase. Um dann in einem Zen-Kloster auf den Füßen zu sitzen.

Wenn Ihr mir versprecht, heute drei mal das Wort „Freiheit“ auszusprechen, verrate ich Euch, wo Ginsberg die ganze Zeit gesteckt hat - er hatte über eine Transkarnation die Gestalt der Kartenverkäuferin angenommen und saß, immerfort eingeschüchtert lächelnd, im Foyer und trank Mineralwasser.

bs

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