: Die blöden Deutschen
■ Franzosen und Briten wollen nur noch deutschen Atomschrott aufarbeiten
Der Beobachter reibt sich verblüfft die Augen. Jahrzehntelang bildete das „nationale integrierte Entsorgungskonzept“, also auch die Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente im Inland, das Herzstück bundesdeutscher Atompolitik. Die Fortsetzung der gegenwärtigen Praxis - Wiederaufarbeitung in Frankreich und England - sei unmöglich, beteuerten unsere Nationalentsorger, unter anderem weil die Auslandsverträge nicht zu verlängern seien. Und nun plötzlich liegen von jenseits der Grenzen gleich zwei Angebote vor, die das glatte Gegenteil zu beweisen scheinen. Was ist da passiert?
Hierzulande fühlten sich das RWE, die HEW und alle anderen AKW-Betreiber vom überraschenden Alleingang der Veba mit der französischen Cogema zunächst gelinkt. Mit den „erfolgreichen“ Verhandlungen beim britischen Cogema-Pendant BNFL schlugen sie gleich drei Fliegen mit einer Klappe: Der DWK, die mit dem Ausstieg aus Wackersdorf ihren wesentlichen Daseinszweck bereits verloren hatte, bietet sich unverhofft eine Überlebenschance. Die Tochter aller AKW-Betreiber verdrängt noch dazu den eigensinnigen Veba-Chef Bennigsen -Foerder aus der ersten Reihe. Und schließlich: Französische und britische Wiederaufarbeiter unterbieten sich gegenseitig.
Das alles erklärt noch nicht, warum Franzosen und Briten ihre Wiederaufarbeitungskapazitäten den Deutschen überhaupt wie Sauerbier anbieten, obwohl ihre eigenen Atommeiler in Zukunft mehr als genug Atomschrott produzieren. Die Antwort ist einfach: Sie haben die Lust an der Wiederaufarbeitung des eigenen Mülls längst verloren. Er soll direkt verbuddelt werden, weil an Bombenplutonium nirgends Mangel herrscht, weil die britischen und französischen Brüterprogramme gekippt oder kleingekocht sind und weil die sogenannten MOX -Brennelemente aus Uran-Plutonium-Gemischen um ein Vielfaches teurer kommen als der konventionelle Uranbrennstoff. Und die Deutschen? Sie halten an der Wiederaufarbeitung fest - weil's halt im (Atom-)gesetz steht.
Gerd Rosenkranz
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