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Ein tödlicher Zusammenhang

■ Marion Löblich gegen MEK: Verhaftung aus Notwehr? - „Das ist eine Lüge“

Die MEK-Beamten, die am 17. August vergangenen Jahres an der Raststätte Grundbergsee die Komplizin der Geiselnehmer, Marion Löblich, festgenommen hatten, haben gelogen. Dies geht aus der Aussage von Marion Löblich hervor, die gestern vom Untersuchungsausschuß aussagte.

In einer dienstlichen Einlassung hatten die MEK-Beamten behauptet, sie seien von Löblich mit einer Schußwaffe bedroht worden. Um Gefahr für „Leib und Leben, beziehungsweise eine weitere Geiselnahme abzuwenden“, habe man Löblich an der „Schußabgabe gehindert“, dabei zurückgerissen und festgenommen. Dagegen gestern Marion Löblich: „Das ist eine Lüge. Ich habe niemanden bedroht.“

Sie habe, den Blick in die Toilette gerichtet, in einem Türrahmen gestanden. „Dann bemerkte ich einen Ruck von hinten, bekam was ins Gesicht geschlagen, wurde auf den Boden geworfen. Mir wurde die Waffe abgenommen. Ein Beamter stellte seinen Fuß auf meinen Bauch.“ Dann sei sie zum rückwärtigen Eingang hinausgebracht, mit Handschellen gefesselt und weggefahren worden.

Bis zu ihrer späten Freilassung befand sich Löblich dann auf dem Parkplatz bei der Raststätte, nach ihrer Schätzung 300 bis 500 Meter vom gekaperten Bus entfernt. „Wir standen da. Schließlich kam der Funkspruch durch: 'Soll sofort zurückgebracht werden.'“ Die Reaktion des Beamten laut Löblich: „Dann stellte er den Funkverkehr leise.“ Eine Einschätzung über die Zeitspannen, die dann vergingen, konnte Löblich dem Ausschuß nicht geben. Aber irgendwann kam eine weitere Anweisung über den nun wieder laut gestellten Funk, Löblich freizulassen. Auch bei dem nun Folgenden, gibt es eklatante Widerspüche zwischen der Aussage des Polizisten und Löblichs Einlassungen.

Im Gegensatz zur Version des MEK-Mannes, er habe Löblich bereits zuvor die Handschellen abgenommen (dabei war ein Schlüssel abgebrochen), behautete Löblich gestern, die Handschellen seien ihr erst unmittelbar vor der Freilassung abgenommen worden. Dabei sei es wegen des abgebrochenen Schlüssels erneut zu Verzögerungen gekommen.

Eine Verzögerung, die den italienischen Jungen das Leben kostete. Denn der Schuß auf Emanuele de Georgi muß unmittelbar vor ihrer Rückkehr gefallen sein. Löblich will noch den Ruf des Busfahrers gehört haben: „Jungs, die Frau ist wieder da. Gebt Ruhe.“ Als er ihr dann die Bustür öffnete, war der Schuß gefallen. Ihre Reaktion: „Ich war entsetzt. Daß die auf Menschen schießen, das habe ich nicht gewußt.“

Rein rhetorisch noch die Frage

des Grünen Martin Thomas, ob sie vor Ablauf des Ultimatums zurückgewesen wäre, wenn der Beamte sie sofort freigelassen hätte. Löblichs Antwort: „Ja.“

Die MEK-Beamten sind vor weiteren Nachfragen des Untersuchungsausschusses bezüglich ihrer „Lügen“ erst einmal sicher. Sie berufen sich auf ein Aussageverweigerungsrecht, da die Staatsanwaltschaft gegen sie ermittelt. Vorwurf: Die Festnahme von Löblich sei ursächlich für den Tod des 15jährigen Italieners. Für den Ausschuß-Vorsitzenden Peter Kudella ist dennoch klar: „Die Polizei kann ihre erste Darstellung nicht aufrecht erhalten.“ Und: „Der kausale Zusammenhang zwischen der Verzögerung bei der Rückkehr und dem Tod der italienischen Geisel ist wahrscheinlicher geworden.“

hbk

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