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Propagandamaschine Kamera

■ „Feindbilder im NS-Film“ - über schauerlich dumme Inhalte mit modernen Methoden

Eins der Geheimnisse hinter dem 'Faszinosum‘, das der deutsche Faschismus darstellt(e), war das spezifische Zusammenwirken der schauerlich dummen Inhalte aus der Mottenkiste der deutschnationalen Tümeleien mit ihrer gnadenlos rationalen Umsetzung, ihrer Vermittlung mit hochmodernen Mitteln. Es hat die Nazis keinen einzigen Anhänger gekostet, daß die Überzahl ihrer Theorien blanker Blödsinn waren (genauso wenig hat es ihren linken Gegnern genutzt, diesen Unsinn zu entlarven), ihre Massendynamik verdankten die Nazis vielmehr ihren Vermittlungsformen, durch die Art und Weise, wie sie die Wünsche ihrer Adressaten ansprachen, deren Emotionen in Schwingung setzten. Mit Klagen über die 'dumpfen Instinkte‘ und ähnlich finstere Kräfte, die sich der hehren rationalen Ansprache widersetzen, läßt sich da nicht gegenhalten und niemandem war das so früh so klar, wie den Nazis selbst. Als ganz früher Lehrmeister der Kunst der Warenwerbung hatte Hitler schon Anfang der zwanziger Jahre gegen den „wissenschaftlichen Ballast“ argumentiert, der die Wirkung einer Botschaft vermindere.

Später, als die faschistische Bewegung erstarkt war, benutzten sie modernste Techniken für ihre Propaganda. Hitler war nicht nur der erste Wahlkämpfer, der per Flugzeug von Ort zu Ort hetzte, er ließ auch, sobald er dazu die Macht hatte, durch seinen Propaganda-Fachmann Go

ebbels das Rundfunkwesen ausbauen und die Filmindustrie unter NS-Kontrolle bringen.

Circa 1200 Filme wurden in den zwölf Jahren des Nazi-Reichs gedreht, alle entstanden unter der Kontrolle der von Goebbels geschaffenen Reichsfilmdramaturgie, und die wenigsten darunter waren ausgesprochene Nazi-Streifen. Solche hätte sich noch nicht einmal der Propagandaminister gewünscht. Ihm ging es vielmehr um Unterhaltung, die die Stimmung im Volk entspannen sollte, und es ging um die subtile Form der Propaganda, die vordergründig nicht zu spüren und hintergründig darum besonders wirksam sein sollte.

Diese Eigenheiten des faschistischen Filmschaffens nachzuweisen, sich die alten propagandistischen Strategien zu vergegenwärtigen, die sich oft genug auch ganz anders gemeinte Filme einverleibten, die alten Filme noch einmal zu sehen, damit ihre einstige Faszinationskraft verstehbar und die Möglichkeit eröffnet wird, der alten Faszination nicht blind wieder zu verfallen, ist das Ziel der Reihe „Propaganda im Film des Dritten Reiches“, das diese Woche mit seiner Folge „Feindbilder im NS-Film“, allabendlich den Vortragsraum des Übersee-Museums mit Menschen füllt. Montags, bei der Auftaktveranstaltung, die noch nicht mit bewegten Bildern lockt, sondern nur trockene Worte - live und vom Band - zu bieten hatte, trafen sich die alten Bekannten der

vorhergegangenen Nazi-Filmwochen. Ein hohes Maß an Engagement spricht aus ihrer gebannten Zuhörerschaft, auch aus ihren lebhaften Debattenbeiträgen, sobald der Referent, Moderator und Mit-Inszenator Henning Harmssen Gelegenheit zu eigener Stellungnahme gibt. Persönliche Vergangenheitsbewältigung heißt das Motto, die vielen älteren Menschen im Raum haben eine

Wunde, zwölf (bei einigen noch mehr) ungelebte Jahre, herausgeschnitten aus ihren Leben und dabei so lebendig geblieben, das diese Verletzung auch nach fünfundvierzig Jahren noch schmerzt. Und nach Absolution schreit, die nicht möglich ist. Darin unterscheiden sich diese Menschen von der dickfelligen Eitelkeit, mit der die bundesdeutsche Normalität versucht, das

Trauma zu ignorieren. Exoten sind sie, die es nicht schaffen, sich die verlorenen Jahre mit dem Wohlstand der heutigen Zeit abgelten zu lassen. ste

Als weitere Filme stehen noch auf dem Programm der „Feindbilder im NS-Film“: „Über alles in der Welt“ am Donnerstag und „Ohm Krüger„ am Freitag jeweils 19.30 Uhr, anmoderiert von Henning Harmssen

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