„Honest George“ in Berlin

Der demokratischer Senator George McGovern ist ab dem 7.Juni als Gastwissenschaftler an der FU  ■ P O R T R A I T

George McGovern, ehemaliger Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Partei gegen Richard Nixon im Jahr 1972 und langjähriges Mitglied des amerikanischen Senats (1963-81), wird ab 7.Juni am John F. Kennedy-Institut zwei Lehrveranstaltungen abhalten. Im Rahmen einer öffentlichen Vorlesung wird die US-Außenpolitik seit 1945 analysiert und zur Diskussion gestellt werden. Darüberhinaus wird er in einem Seminar die gegenwärtigen innenpolitischen, vor allem gesellschaftlichen Probleme der Vereinigten Staaten behandeln.

Mit George McGovern kommt ein Politiker nach Berlin, der es wie kein anderer in der Vergangenheit fertiggebracht hat, Sachverhalte zu thematisieren, die eine nachhaltige Auswirkung auf die gesellschaftliche und politische Entwicklung der USA hatten. Als leidenschaftlicher Gegner der amerikanischen Intervention in Vietnam und durch eigenwillige Stellungnahmen zur Kuba- und Kambodscha-Politik in den siebziger Jahren gelang es ihm immer wieder, entscheidende Denkanstöße in das Wahsingtoner Establishment hineinzutragen. Sein Ruf als „Honest George“, aber auch als Prophet, der im eigenen Lande nichts gilt, entwickelte sich daraus.

Seine Kritik der US-Außenpolitik wendet sich in erster Linie gegen die sozialen und politischen Folgeerscheinungen in den USA. Er sieht weder den Iran-Contra-Skandal noch Watergate als Ausrutscher der jüngsten amerikanischen Geschichte an. Vielmehr hätten die Verfassungsverletzungen durch Präsidenten seit dem Zweiten Weltkrieg von Koera über Vietnam bis hin zum unerklärten Krieg gegen Nicaragua ständig zugenommen. Die Folgen seien ein geschwächtes Ansehen der USA im Ausland und ein Auseinanderbrechen des „american mainstream“ im Inneren.

Angesichts der aktuellen Diskussion dürften McGoverns Ausführungen über Truppenabzug aus Europa, Berlin-Status etc. auf großes Interesse stoßen. Seine Stärke wird sicherlich seine Konzeption einer „Re-Demokratisierung“ der US-Gesellschaft sein.

Lukas Philippi