: Vom „hellen Bild der demokratischen Polizei“
„Republikaner“ in der Polizei: Die SPD lud 250 Beamte nach Bonn / SPD-Politiker bekunden ihr „uneingeschränktes Vertrauen“ in die demokratische Zuverlässigkeit der Ordnungskräfte / Selbstkritische Töne der geladenen Beamten ■ Aus Bonn Charlotte Wiedemann
„Wir werden hier so gelobt, als wären wir die anständigsten Hechte der Nation.“ 250 Polizeibeamte hatte die Bonner SPD -Fraktion nach Bonn zu der Konferenz „Innere Sicherheit“ eingeladen. Nicht irgendwelche Ordnungshüter natürlich, sondern ausgesuchtes Publikum aus den Wahlkreisen der Genossen, überwiegend mit dem richtigen Parteibuch in der Tasche. Derartige Veranstaltungen dienen der politischen Aufmunterung der Parteifreunde - der Aufwand zahlt sich aus durch die Multiplikatorenwirkung „draußen im Lande“.
Lob stand also auf dem Programm, doch hatte sich die SPD -Spitze dafür, gerade mitten im Europawahlkampf, ein heikles Terrain ausgesucht: Die Polizei von dem Vorwurf reinzuwaschen, es gebe unter ihnen besonders viele „Republikaner„-Anhänger. 50 Prozent der bayerischen Polizisten würden mit Schönhuber sympathisieren, so hatte erst kürzlich eine Meldung gelautet. „Eine empörende Diffamierung der Polizei“, entrüstete sich der Parteivorsitzende Jochen Vogel.
Willfried Penner, Vizechef der Fraktion, nannte es „skandalös“ und „unverantwortlich“, „die Polizei in ein reaktionäres Licht zu rücken und ihre Verfassungstreue in Zweifel zu ziehen.“ Im Gegenteil: Die Polizei habe den demokratischen Staat „gegen Angriffe von rechts und links wirksam geschützt“, und es könne „verheerende Konsequenzen“ haben, wenn nun das „helle Bild der demokratischen Polizei“ durch Verdächtigungen „verdüstert“ werde. „Wir Sozialdemokraten haben in die demokratische Zuverlässigkeit der deutschen Polizei uneingeschränktes Vertrauen.“
Manchem im Saal wurde angesichts solch idealisierender Bekundungen merklich unwohl. Widerspruch kam ausgerechnet von seiten der anwesenden Beamten. Einer, der sich als bayerischer Gendarm vorstellte, meinte ironisch: Die Meldung von den 50 Prozent Schönhuber-Anhängern sei wohl wirklich falsch. „Bei uns sagt man nämlich: 80 Prozent.“ Aus Braunschweig berichtete ein Kollege: „Unbezweifelbar ist die Tendenz, extremistische Positionen zu beziehen, bei der Polizei 1989 stärker als in allen Jahren zuvor.“ Zwei Polizeibeamte als Landesvorsitzende der REPs, Schönhuber -Getreue als Polizeiausbilder, in Worms von 14 „Republikaner„-Kandidaten zur Kommunalwahl fünf aktive Polizisten. Prozentzahlen mal dahingestellt, aber: „Irgend etwas ist faul in der Polizei“, klagte ein Baden -Württemberger. Die SPD solle nicht „rumtaktieren“ und verharmlosen, sondern Farbe bekennen. Und von der Bonner Konferenz müsse ein Signal ausgehen, daß „Republikaner“ in der Gewerkschaft der Polizei nichts verloren hätten.
Die dramatischen Lagebeschreibungen aus den Wachstuben an der Basis und die Aufforderungen zum Handeln passen der SPD -Regie kurz vor der Europawahl offenkundig wenig ins Konzept. Das Reizthema eines gewerkschaftlichen Unvereinbarkeitsbeschlusses hakte Willfried Penner mit der Bemerkung ab, er halte nichts von „administrativen Schlaumeiereien“. Parteichef Vogel lobte die GdP dafür, daß sie sich so aktiv mit den „Republikanern“ auseinandersetze dabei hatte der GdP-Vorsitzende Hermann Lutz zu Beginn geklagt, daß die Gewerkschaft von den Genossen seit Februar dabei alleingelassen werde.
Offen ausgesprochen wurde es nicht, warum die SPD dieses Thema nur mit Samthandschuhen anfaßt. Nur einmal schimmerte es bei Penner durch: Das Stichwort lautet „staatspolitisches Interesse“. Aus diesem Interesse heraus wünschte der SPD -Mann der CDU/CSU „Glück bei der Auseinandersetzung mit den Republikanern“. Die Konservativen also sollen die Rechtsradikalen wieder integrieren, dann ist die staatspolitische Welt in Ordnung für eine Partei, deren Ziel die Regierungsmacht und nicht die gesellschaftliche Auseinandersetzung um Neonazismus ist.
Wollte die SPD die politischen Ursachen für den Schönhuber -Zuspruch bei der Polizei ergründen, müßte sie zwangsläufig in den Spiegel ihrer eigenen Politik der Inneren Sicherheit sehen - ein Tabu auf dieser Bonner Konferenz. Statt dessen: Schlechte Personalausstattung, mangelnde Schichtzulage, unzureichende Altersversorgung, kurz: Frust im Dienst, der mit der Ablehnung der etablierten Parteien verbunden werde. So lautete das ständig wiederholte Erklärungsmuster für das falsche Kreuz auf dem Wahlzettel, und darin waren sich die „Verharmloser“ mit den „Dramatisierern“ einig. Daß auch Sozialdemokraten die Polizei gegen links und zum Schutz von rechts marschieren lassen und daß die Polizei gerade unter SPD-Regierungen zur Bürgerkriegsarmee vor Bauzäunen aufgerüstet wurde - all dies wird routiniert ausgeblendet. Die eigene Mittäterschaft bei der ideologischen Ausrichtung der Polizei ist kein Thema - da redet man lieber über Wechselschichtzulagen.
Nur der frühere GdP-Vorsitzende Günter Schröder ließ durchblicken, daß die Probleme tiefer gehen könnten, erinnerte daran, daß es nicht nur Wackersdorf gab, sondern auch die Einsätze von Brokdorf und Kalkar, „und das ist nicht in den Kleidern geblieben“. Dem Jugend-Vorsitzenden der GdP, Gerd Diefenthaler, dämmerte, daß sich die Sozialdemokraten „auf einem gefährlichen Pflaster“ bewegen würden, wenn sie den „Republikaner„-Zuspruch mit den berechtigten berufsständischen Klagen der Kollegen erklärten, eben jenen Klagen, wie sie auch von SPD -Polizisten erhoben werden. Diefenthaler: „Das heißt doch eigentlich, daß wir mit den Republikanern drohen und sie gleichzeitig bekämpfen wollen.“
Der sozialdemokratische Schlingerkurs wurde in Bonn am Ende der Konferenz durch einen Beschluß besiegelt. In einer Resolution bescheinigte sich die Mehrheit der SPD -Polizisten, daß sie in einer „demokratisch gefestigten, verfassungstreuen Polizei“ Dienst tun. Gleichzeitig rückten sie mit Stapeln von Wahlkampfflugblättern der „Sozialdemokraten in der Polizei“ aus, um ihren vielleicht doch nicht ganz gefestigten Kollegen argumentativ klarzumachen, daß Parteien der extremen Rechten für Polizisten „nicht wählbar“ sind.
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