: Miss Milch im Test
■ Gurgeln, Spülen, Spucken mit Pokerface und Kennermiene
Einhundertzweiundachtzig TeilnehmerInnen aus allen elf Bundesländern hatten ihre Stars ins Derby geschickt. In der Oldenburger Weser-Ems-Halle wurde am gestrigen Freitag in mehr als zehn Klassen um die Preise gefochten. Fünfundfünfzig Sachverständige unterzogen die KandidatInnen einer ausführlichen Begutachtung. Nach Geruch und Geschmack, nach Aussehen und Fettverteilung wurde gefahndet. Und dort, wo Nase und Gaumen den Dienst versagten, wurde das Reagenzglas zur Hilfe genommen.
Milch macht müde Männer munter. Keine Spur. Auch nach eineinhalb Stunden Milch verkosten, nach Gurgeln, Spülen und Spucken, blieben Pokerface und Kennermiene bei den Prüfern aus der Molkereipraxis und Milchwissenschaft unverändert aus
druckslos. Gewissenhaft testeten sie sich von der Vorzugsmilch bis zur „eiweißangereicherten fettarmen ultrahocherhitzten Milch“ durch.In begleitenden Laboruntersuchungen kontrollierten sie die eingeschickten Produkte zusätzlich auf deren Verträglichkeit. Auf dem Prüfstand: deklarierterFettgehalt, Keimzahl und Coliforme (als Kriterien für die hygienische Behandlung in der Molkerei), der Erhitzungsnachweis und der ph-Wert.
Als Milchmädchenrechnung könnte sich dennoch für die VerbraucherInnen der Gütestempel der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft auf den Milchverpackungen erweisen. Das Zeichen „DLG-Prämiert 1989“ ist ein Ergebnis verstärkter Marketing-Bemühungen der Milchwirtschaft.
Durch Lebensmittelskandale,
die EG-Konkurrenz und eine größere qualitätsorientierte Verbraucherklientel wurden die Erzeuger zu öffentlichen Selbstkontrollen gedrängt. Über das Milchgesetz hinaus, das beispielsweise eine Maximalzeit von sechsunddreißig Stunden vom Melken bis zur Verarbeitung vorschreibt, ist die DLG zum internen Vergleichskampf angetreten. Doch die Bedingungen dieses Wettbewerbs unterliegen keiner Kontrolle. Probiert wurde gestern aus den Originalverpackungen und so testete sich die Konkurrenz munter gegenseitig. Auch an die verkaufsfördernde Wirkung des Gütestempels mag noch nicht jeder Erzeuger glauben. Von den etwa vierzig Vorzugsmilchproduzenten, die es noch in der Bundesrepublik gibt, schickten nur elf ihre Milch zur Prämierung nach Oldenburg. an
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