: Standbild: Regieren ist...
■ Die Erben des Dr.Barschel
(Die Erben des Dr.Barschel, ARD, Donnerstag, 20.15 Uhr) Demontage. Die Innenausstattung der Macht, das Büro des Ministerpräsidenten (MP), ein Traum in nordischer Birke, gediegen nach Art der Guldenburgs, wird zerlegt und zersägt. Es wird ausgeräumt. Vom Feldblumenstrauß bis zum Ölschinken. Am Ende wird ausgefegt.
Dekoration. Alles weiß. Design zieht ein, viele Bücher und die Bilder der Frau. Hell und rationell soll es jetzt zugehen, zwischen Anwalts- und Arztpraxis.
Cordt Schnibben und Christian Berg haben ein Jahr lang den Machtwechsel in Kiel verfolgt. Vom ersten Tag an, als in den Schreibcomputern sich noch die Reden des Vorgängers stauten. Sie haben sich mit einer für das deutsche Fernsehen einzigartigen Respektlosigkeit durch die Staatskanzlei bewegt und sich dem Zentrum der Macht über die Flure genähert. Sie haben sich nicht nur Flottes vorschmauchen lassen aus dem Engholmschen Pfeifchen, sondern sich gefragt, was Macht eigentlich ist und wie das Regieren funktioniert. Regieren tut der Apparat, 2.523 Staatsdiener allein in den Ministerien und 83 in der Staatskanzlei.
„Regieren ist das Weiterleiten von Akten,“ sagt der Bürobote Klaus Hinz, ein gemütlicher Vierschrot, und zieht langsam das Aktenwägelchen von Büro zu Büro. Regieren bedeutet Animieren. Zumindest für Eva Rühmkorf, die neue Bildungsministerin. Wir sehen sie umzingelt von der alten Beamten-Garde, porentief loyale alte Säcke, die nur aufhorchen, wenn der Name des Vorgängers Bendixen fällt, und nun für mehr Gesamtschulen sorgen sollen. Regieren bedeutet zwiedenken, nicht nur im Energieministerium, wo die einstigen Einstiegsexperten jetzt den Atomausstieg planen. Da enttarnt sich der deutsche Beamte als gehorsame Duckmaus, als unkreativer Vollstrecker und brabbelt von der Tugend dienstlicher Meinungslosigkeit. Schnibben und Berg zerstören genüßlich die Illusion vom Machtwechsel und schonen dabei auch nicht die Lichtgestalt Engholm, die von „offensiver Muße beim Regieren“ und „Sinnlichkeit in der Politik“ schwätzt, während im Gegenschnitt die Minister das Versanden ihrer Wendeversuche konstatieren. Schöner Regieren, das Dekorative, das klappt auch heute schon. Es gibt einen Apparat. Doch gibt es überhaupt Macht? „Regieren ist Briefe korrigieren“, sagt der neue MP und konstatiert gleich nebenbei die Überflüssigkeit der Landesparlamente. „In Brüssel, in Bonn, in der Wirtschaft, da sitzen die wirklich Mächtigen.“ Da setzt nun jedwedes Schwarz-Weiß-Schema aus. Eine grandiose De-montage.
Kotte
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