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ZWISCHEN DEN RILLEN

 ■  Blech und brav

Ein Totgesagter kommt wieder - in der Blechmaschine. Bowie, der Veteran, ist zurück, ehrenvoll & ungesüßt, straight back to the roots. Zurück in den Slum, wo er herkommt, wo heute Skins und Crack regieren. Diesmal als simpler Frontmann der Band Tin Machine, nicht elegant entertainernd, sondern laut und ungeschlacht. Bowie gibt den zornigen alten Schreihals, dazu ballert knochentrocken das Schlagzeug (Hunt Sales), die Gitarren (Reeves Gabriels) fiepen und quietschen, daß es eine wahre 70er-Lust ist, und drunter wummert der knallende Bass (Tony Sales). Hardrock, entkalkt und klar, teilweise gar tanzbar.

Heaven's in Here, ein Heavy-Blues. Hektische Beschwörung der Blechmaschine, dann ein eher ruhig entfalteter, typischer Bowie-Sing-Sang, bis er die Stimme Richtung Dylan zurücknimmt, um dann um so enthemmter loszugröhlen: Hit Crack City. Der alte Astral-Bowie scheint durch in I can't read Shit. Nach Amazing, einer durch Verzerrung verhinderten Ballade, fällt Lennons Working Class Hero der rigiden Verrohung anheim.

Hübsch bewußtloses Hämmern. Jaulgitarre in Zeitlupe. Der Schluß, noch ein dunkler Brummkreisel. Bowie, das Kult-Tier, zieht die eigene Legende wie eine Schleppe hinter sich her, die mindestens einmal pro Dezennium radikal gekappt werden muß. Aus dem Astralnebel wieder auf den schwarzen Tanzboden, vom süßen Sinatreen zurück zum Blues. Heute produziert er so schön reinigenden Lärm, daß selbst die bemüht sozialkritischen Texte I've got dollars / I've got sense / Wonder where the third world went sowie der 14-Tage -Sauerkraut-Bart, mit dem Bowie nun die Ur-Yuppie-Frisur ergänzt, ziemlich verzeihlich sind. * * *

Unverzeihlich ist hingegen, daß Deborah Holland, Sängerin und Songwriterin des Pop-Fusion-Projekts Animal Logic, einfach zu sehr nach zeitgenössischer Rocklady klingt. Wie die Tonspur eines Werbespots. Austauschbar. Schade, denn auf die anderen Zweidrittel des Trios, den Ex-Police-Drummer Stewart Copeland und den Jazz-Funk-Bassisten Stanley Clarke, darf die häßliche Phrase von der „Weltgeltung“ bedingungslos angewendet werden.

Davon ist auf The Spy allerdings nichts zu merken. Deborah Hollands Popsongs sind harmlos und konventionell. Schön, wenn etwas Polizeiliches von Hi-Hat-Maniac Copeland durchdringt oder Stanley Clarke, der früher mit George Duke und Chick Corea spielte, mal kurz die Solokabine aufsuchen darf. Das Cover zieren drei Dalmatiner, die synchron Pfötchen geben. Brav.

Hans-Hermann Kotte

Tin Machine, „Tin Machine“,

EMI Electrola 064-7919901

Animal Logic, „The Spy“, Virgin Records 209 928

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