: Kaltluft polaren Ursprungs
■ „Antarctica Projekt“, ein politisch-poetischer Film von Axel Engstfeld über die Antarktis und die erste „Greenpeace„-Expedition zum 6. Kontinent
Er ist so und sieht fast so aus, wie ich ihn mir nach seinem Film vorgestellt habe: Axel Engstfeld, agil, zum Lachen und Erzählen aufgelegt, präsent, nicht charming, sondern ruppig-komisch; schwarzes „Alaska„-T-Shirt am Leib - über Alaska dreht er grade einen Film -, dahingeschwundene Haare, dafür einen sorgsam gezwirbelten, dichten Schnauzbart. Der Mann verströmt das vitale Flair eines zurückhaltenden Intellektuellen, der sich mit Lust in die Welt hineinwirft. Die wenigen Geschichten, die er von den Dreharbeiten in der Antarktis (und Alaska) erzählt, sind witzig-ernst, nicht idyllisierend oder „gerecht empört“, sondern vom scharfen Blick für Skurrilitäten gewissermaßen als Großaufnahme präsentiert. Und so ist sein Film „Antarctica Projekt“, den er gedreht hat auf der ersten, gescheiterten Greenpeace -Expedition: vital und distanziert, in Bildern, die vor eisiger Lebendigkeit
vibrieren, in denen kühle Emotionalität und klug gezügelter Zorn zu sehen sind.
„Die Umweltschützer werden unbescheiden“, finden die achtzehn raffgierigen Industrienationen, die ihr „Antarctica Projekt“ betreiben: die Ausbeutung des letzten und unbewohnten Kontinents Antarktis. Und dieser zu Anfang als Zitat wie nebenbei gesprochene Satz strukturiert die Wahrnehmung des ganzen Films. Denn „unbescheiden“ im Sinne dieser grotesken Logik ist das „Antarctica Projekt“ von Greenpeace: Greenpeace will die Antarktis symbolisch zum „Weltpark“ erklären, um das bislang noch weitgehend unberührte Ökosystem vor der Zerstörung zu bewahren. Im Film von Axel Engstfeld werden die beiden politisch motivierten Antarctica Projekte mit der Geschichte der Antarktis und der Greenpeace-Fahrt zum Kontinent gegeneinander montiert, ohne den geringsten
Bild-, Text- oder Zungenschlag einer propagandistischen Greenpeace-Lobes-und Leidenshymne. Dennoch verläßt einen den gan
zen Film hindurch das Bild von David und Goliath nicht: dieses vergleichsweise armselige Schiff, das sich durchs Packeis
schiebt, während die großen Industrienationen in Vertragsverhandlungen die Ressourcen des Kontinents unter sich verteilen
oder erwägen, dort den Atommüll endzulagern.
Für diese glatte, ausbeutungserfahrene Kompetenz findet Engstfeld Bilder und Tonabmischungen, die beinahe grausam -elegant in Augen und Ohren schmatzen: das Klacken der Computer, auf deren Schirmen die Antarktis-„Claims“ abgesteckt werden; Konferenzsäle, in denen ein vornehm -leises babylonisches Gewisper herrscht; vielspurige Autostraßen, auf denen die Gehäuse des Wohlstands fahren im Hintergrund science-fiction-artige, hochglänzende Wolkenkratzer. Dagegen: Unendlich schöne, ruhige und gelassene Bilder von der Fahrt in die Antarktis: Möwen im langen Flug, einsame Eisblöcke mitten im Meer, in einem Licht, das ich so kühl-intensiv noch nie gesehen habe. Plötzlich: ein Regenbogen vor einem Eisblock - und all das keine „Kulturfilm„-Bilder, sondern von strenger, distanzierter Schönheit.
Greenpeace blieb auf dieser Fahrt im Packeis stecken und mußte wieder umkehren. Inzwischen haben sie ihre „Weltpark„-Kontrollstation errichtet, ein trotziges Plätzchen gegen den klimazerstörenden Verteilungskampf. So hilflos wie die Pinguine, die vom Schaufelbagger vertrieben werden.
Sybille Simon-Zülch
Cinema, Fr., Sa., So., 18.45 Uhr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen