: Pflegenotstand
Immer mehr Kranke - zu wenig Personal ■ Mit UNSEREN ALTEN auf Du und Du
Die Freude der hannoveranischen Messeleitung über die Rekordbeteiligung bei der „Interhospital '89“ klingt vielversprechend für die rund 13 Millionen Bundesdeutschen, die als „Krankengut“ die Heilanstalten in diesem Jahr „durchlaufen“ werden (Ärztejargon laut 'Spiegel‘). Das klingt nach Großoffensive auf ihre Wehwehchen durch die 1.400 Aussteller. Doch während die Medizinindustrie dabei ist, das „Krankenhaus 2.000“ zu entwerfen, machten's die Pfleger eine Nummer kleiner und bemühten sich auf einer Veranstaltung im Rahmen des Krankenhaustages, die Probleme der „Krankenpflege in den 90er Jahren“ zu umreißen. Keine neuen Maschinen braucht der Kranke, sondern mehr hilfreiche Hände.
Auf 100.000 Einwohner bezogen gibt's in der BRD gerade mal etwas mehr als ein Viertel des Pflegepersonals (580), das die Kranken z.B. in Schweden (1.891) umsorgt. Und auch in den USA, wo beileibe nicht jeder krankenversichert und man sich eher selbst der nächste ist, gibt's pro 100.000 Einwohner noch 1.466 Kräfte im Pflegedienst am Nächsten. Und auch der Systemvergleich mit der DDR (700) fällt zuungunsten der BRD aus. Auch im Verhältnis des Personals pro Bett sieht's in der Bundesrepublik (1,15) äußerst schlecht aus (Schweden: 2,78, USA: 2,71), und das will angesichts des bereits vollzogenen Bettenabbaus einiges heißen.
Soll die Krankenbetreuung in den nächsten Jahren nicht vollends entmenschlicht werden, so werden erhebliche Neueinstellungen erforderlich sein. Alle zehn Jahre nimmt in der BRD die Zahl der Patienten pro Jahr um zwei Millionen zu. Dies ist nicht zuletzt eine Folge immer höherer Lebensertwartung. Der Anteil der über 60jährigen wird bis zum Jahre 2.000 von heute 20,5 auf 25 Prozent steigen. Der „Altenberg“ trägt somit erheblich zur Kostensteigerung im Gesundheitswesen bei. Oder - wie es der Vorsitzende des Interhospital-Ausstellungsausschusses, Sönke Vogel, zur Messeeröffnung trefflich ausdrückte: Nur wer stirbt, verhilft der Statistik der Gesundheitskosten zu einem günstigen Bild.
ulk
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen