Fürsorgliche Scheinheiligkeit

■ St.-Jürgen-Ausschußvorsitzender sorgt unfreiwillig für Spekulationen über Aktencoup

Große Sorgen um das Ansehen von Bremens Bürgermeister Henning Scherf, des Ex-SPD-Vorsitzenden Herbert Brückner und dessen Anwalt vor dem Untersuchungsausschuß St. Jürgen -Straße, Waldemar Klischies, macht sich dessen Vorsitzender , Andreas Lojewski. Alle drei SPD-Politiker hatten in der Vergangenheit mehrfach heftige Kritik am Vorgehen des Ausschuß geäußert und dabei Argmente vorgebracht, die sich in vielen Punkten mit der Begründung des inzwischen suspendierten SPD-Fraktionsmitarbeiter Michael Tillmann für die Deponierung vertraulicher Ausschuß-Akten in einem Müll -Container decken. Insbesondere das rundfunk-öffentliche Herumstochern in Privatangelegneheiten, die inhaltliche Verdrehung von Zeugenaussagen mit schwerwiegenden Folgen für die Betroffenen und die mangelnde Bereitschhaft des Ausschusses, zu Unrecht Ver

dächtigte nachträglich zu rehabilitieren, hatten Tillmann laut eigener Aussage zu seinem Aktencoup verleitet und insbesondere CDU-Ausschußmitglied Günter Klein ins Gerede gebracht. Ähnliche Vorhaltungen sich der Ausschuß in der Vergangenheit auch von Scherf, Brückner und Klischies machen lassen müssen.

Tillmanns argumentative Anleihen bei den drei prominenten Ausschußkritikern könnten jetzt möglicherweise auf diese zurückfallen, fürchtet Lojewski. Wörtlich schreibt Lojewski: „Herr Tillmann übernimmt Argumente, die von den Zeugen Dr. Scherf und Brückner sowie dessen Zeugenbeistand Dr. Klischies vorgebracht worden sind. Ich bedaure, daß diese Personen dadurch in Mißkredit gebracht werden.“

Ausschußkritiker Waldemar Klischies selbst war gestern alles andere als begeistert vom fürsorglichen Bedauern des Ausschußvorsitzenden. Gerade

durch Lojewskis Stellungnahme fühlt Klischies sich völlig willkürlich in die Nähe Tillmanns gerückt. Klischies: „Lojewskis Äußerung verschlägt mit geradewegs die Sprache. Sie erweckt den Eindruck, als gebe es möglicherweise einen Zusammenhang mit meiner sachlichen Kritik am Ausschuß und Tillmanns Straftat.“

Unmittelbar Tillmanns Geständnis hatte bereits CDU-Fraktions -Chef Peter Kudella Mutmaßungen über hochkarätige sozialdemokratische „Hintermänner und Drahtzieher“ angestellt, es allerdings wohlweislich vermieden, Namen ins Spiel zu bringen. Exakt dies habe Lojewski nun nachgeholt. Klischies: „Eine Unverschämtheit“.

Wesentlich gelassener reagierte gestern Henning Scherf auf Lojewskis Sorgen um seinen guten Ruf: „Es gibt nicht den geringsten Zusammenhang zwischen den juristisch zu beurteilenden

Taten des Herrn Tillmann und meiner Kritik am Ausschuß. Wenn durch Lojewskis Äußerungen ein anderer Eindruck suggeriert wird, dann ist er durch nichts belegt.“

Andreas Lojewski selbst blieb die Aufregung über seine Äußerungen ein Rätsel: „Mir persönlich wäre es jedendalls sehr unangenehm, meine Argumente nachträglich als Begründung für eine Straftat lesen zu müssen. Aber nicht ich habe einen Zusammenhang zwischen Tillmann einerseits und Scherf, Brückner und Klischies, andererseits hergestellt, sondern die auffällige Identität ihrer Kritik am Ausschuß hat ganz objektiv Anlaß für Spekulationen gegeben. Wenn Herr Klischies dafür nun mich verantwortlich macht, reiht sich das nahtlos in seine bisherige Ausschuß-Schelte ein. Herr Klischies leidet gegenüber dem Ausschuß offensichtlich an einer Art Verfolgungswahn.“

K.S.