: Zwangsmaßnahme Müllverbrennung
■ Niedersachsen forciert Geschäft mit Müll / Gesetz soll Kommunen entmachten
Die hehren Müllvermeidungs-und -verwertungskonzepte mancher niedersächsischen Gemeinden werden Träume bleiben: Im niedersächsischen Landtag ist ein Abfallgesetz in Vorbereitung, das den Gemeinden Müllverbrennung auf kaltem Wege zwingend vorschreibt. Vor wenigen Tagen diskutierte der Umweltausschuß des Landtags die Gesetzentwürfe; noch in dieser Legislaturperiode sollen sie verabschiedet werden.
Mit dem neuen Gesetz können die Bezirksregierungen ihren Gemeinden die Zwangsmitgliedschaft in sogenannten „Zweckverbänden“ verordnen und damit vorschreiben, wie sie ihren Müll zu entsorgen haben, mit welcher Müllverbrennungsanlage und zu welchen Konditionen sie Verträge abschließen müssen. Für Alternativkonzepte bleibt kein Spielraum. Scheinbar positive Seite des Vorhabens: Mülltourismus wird per Gesetz verhindert.
Vor wenigen Wochen hat CDU-Umweltminister Remmers davon gesprochen, daß allein in Niedersachsen 12 Müllverbrennungsanlagen für Hausmüll geplant sind. Bundesweit sind es
120 Anlagen, die mit einem Investitionsvolumen von 45 Milliarden Mark gebaut werden sollen. Ähnliche Summen wurden bisher in die Atomindustrie gesteckt. Profitieren werden die großen Anlagenbauer wie Babcock, Siemens, KWU, deren Verbrennungs-Know-How sich auf atomare Brennstoffe wie auf Müll und Sondermüll anwenden läßt.
Betreiber der MVA's sind, so mutmaßen etliche Müllexperten, die Energieversorgungsunternehmen: Stillschweigend haben die EVU's Niedersachsens in den vergangenen Monaten ihre Satzungen geändert. Bisher nur „Versorger“, können sie künftig auch „Entsorger“ sein.
Etliche Standortstudien für Müllverbrennungsanlagen im Lande sind derzeit in Arbeit. Das Stuttgarter Planungsbüro Fichtner erarbeitet Standortstudien und Abfallkonzepte für mehrere Versorgungsbereiche.
Auch für Brake als möglichen MVA-Standort hat Fichtner ein Gutachten erstellt, das Kritiker jedoch stark in Zweifel ziehen, zumal es von der EWE (Energieversorgung Weser-Ems) bezahlt
wurde. Im EWE-Aufsichtsrat sitzt überdies Brakes SPD -Bürgermeister Manfred Bergner, dessen Parteiortsverband sich im März dezidiert zur Müllverbrennung bekannte, als Brake noch nicht im Standortgespräch war. Prominenter EWE -Aufsichtsratskollege Bergners ist beispielsweise auch Fred Kordes, der Vorsitzende der niedersächsischen SPD-Fraktion und Mitglied des Abfallausschusses. Als „Ermächtigungsgesetz für die Energiewirtschaft“ bezeichnen Kritiker das niedersächsische Gesetzesvorhaben inzwischen. „Im Müll steckt viel Geld“, betont auch Bremens Grüne Umweltexpertin Elisabeth Hackstein. MVA's müssen für die Auslastung ihrer Anlagen sorgen. Verständlich werden vor diesem Hintergrund auch die derzeitigen Bemühungen der MBA Bremerhaven, niedersächsische Umlandgemeinden langfristig vertraglich zu binden: Noch vor dem geplanten MVA-Neubau in Niedersachsen soll sichergestellt werden, daß bis ins Jahr 2020 niedersächsischer Müll in Bremerhaven verbrannt wird. r
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