: Kein Asyl für wehrpflichtige Apartheidgegner
Immer mehr weiße Südafrikaner kehren ihrer Heimat den Rücken, weil sie aus Gewissensgründen nicht in der Armee dienen wollen Bisher praktisch keine Chance, in der BRD Asyl zu bekommen / SPD und Grüne wollen Wehrflüchtigen den Rücken stärken ■ Aus Aachen Jochen Dietrich
Seit fast einem Jahr lebt Fran?cois du Plessis in Aachen. Drei Jahre war der weiße Südafrikaner durch halb Europa getingelt. Der spärliche Lebensunterhalt wurde durch den Verkauf von selbstgefertigtem Schmuck auf Flohmärkten verdient, manchmal ließen ihm gute Freunde das eine oder andere zukommen. Bereits 1985 hatte der heute 27jährige der Heimatstadt Pretoria den Rücken gekehrt. Der Entschluß war lange herangereift und ist dennoch nicht leichtgefallen Eltern, Geschwister und Freunde mußten zurückgelassen werden. „Ich habe Südafrika verlassen, weil ich nicht mehr im Militär dienen wollte. Ich war von Januar '80 bis Dezember '81 in der Armee. Schon damals habe ich den Antrag gestellt, ins Militärorchester zu wechseln, da ich keinen Dienst an der Waffe leisten wollte. Mein Antrag wurde zerrissen“, erzählt der Musiker und Maler. Später, als er nur noch einmal im Jahr zu einer ein- bis dreimonatigen Wehrübung einrücken mußte, gelang der Wechsel zur Militärkapelle. Doch auch da plagten den jungen Mann schnell Gewissensbisse. „Vor allem durch den Kontakt zu schwarzen Freunden, die mich in die Townships mitnahmen, ist mir klargeworden, daß du, wenn du die Uniform der südafrikanischen Armee anhast, das Apartheidsystem unterstützt - egal ob an der Waffe oder nicht“, erinnert er sich.
Da es in Südafrika kein Recht auf Kriegsdienstverweigerung gibt, mußte Fran?ois du Plessis das Land verlassen, um sich dem Militär zu entziehen. Er gehört damit zu der wachsenden Zahl weißer Südafrikaner, die lieber ins Exil gehen, als sich an der „Befriedung“ der schwarzen Townships oder den Militäreinsätzen gegen die schwarzen Nachbarstaaten zu beteiligen. 1984 waren es 1.596 Rekruten, die nicht zur Einberufung erschienen, im folgenden Jahr bereits über 7.000. Seither weigert sich die Apartheidregierung, die Zahlen zu veröffentlichen. Experten schätzen, daß in den vergangenen Jahren über 50.000 weiße Südafrikaner den Rucksack packten, um dem Militär zu entfliehen.
Im August 1988 hat der Südafrikaner beim Aachener Ausländeramt einen Asylantrag gestellt. „Ich habe Angst, nach Hause zurückzukehren. Mich erwartet dort eine Gefängnisstrafe von bis zu sechs Jahren und danach der erneute Einzug zum Militär“, erzählt er mit trauriger Stimme. Neben Fran?ois du Plessis hat bisher nur eine Handvoll südafrikanischer Kriegsdienstgegner in der BRD Asyl beantragt, nicht ohne Grund. Denn hierzulande sind die Chancen, aus diesem Grund Asyl gewährt zu bekommen, gleich Null. „Nach der gegenwärtigen Rechtsprechung im AsylreCht spielt ausschließlich die Motivation des Staates und nicht die Motivation des Flüchtlings eine Rolle“, erläutert der Frankfurter Asylrechtsexperte Reinhard Marx, „und dabei geht man davon aus“, daß die Verfolgung von Kriegsdienstverweigerern keine politische Motivation hat, auch im Falle von Südafrika“. Auch die Bonner Regierung ist der Meinung, daß von einer politischen Intention bei der Verfolgung von Kriegsdienstverweigerern in Südafrika nicht die Rede sein kann. Der „Deutschen Friedensgesellschaft“ wurde auf Anfrage vom Innenministerium mitgeteilt, „daß die zur Disziplinierung notwendigen Maßnahmen im Rahmen des südafrikanischen Militärstrafrechts legitim sind. (...) Der Strafrahmen bei Wehrdienstverweigerung in Südafrika dürfte nach Auskunft des Auswärtigen Amtes rechtsstaatlichen Gesichtspunkten widersprechen.“
Auf jeden Fall widerspricht die bundesrepublikanische Asylpraxis verschiedenen Empfehlungen der Vereinten Nationen. Am 20.Dezember 1978 hatte die UNO mit der Stimme der BRD die Mitgliedstaaten aufgefordert, „Personen (...), die nur deshalb gezwungen sind, ihr Heimatland zu verlassen, weil sie sich aus Gewissensgründen weigern, die Durchsetzung der Apartheid durch Militär- oder Polizeidienst zu unterstützen, Asyl (...) zu gewähren“. - „Der Beschluß hat nur empfehlenden Charakter“, hieß es dazu aus dem Auswärtigen Amt.
Die SPD hat jetzt einen Antrag in den Bundestag eingebracht, der das Problem ohne Änderung des Asylrechts beseitigen soll. „Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, anzukündigen und sicherzustellen, daß es durch Übernahmeerklärung des Bundesministers des Innern nach Paragraph 22 des Ausländergesetzes allen südafrikanischen Kriegsdienstverweigerern ermöglicht wird, in das Bundesgebiet einzureisen und sich hier aufzuhalten“, heißt es in dem Antrag, der heute in erster Lesung im Parlament beraten wird. Damit solle den südafrikanischen Wehrflüchtigen „der Rücken gestärkt und eine Alternative zum Gefängnis eröffnet werden“, sagte der SPD -Bundestagsabgeordnete Jürgen Schmude. Die Grünen haben ihre Unterstützung für den Antrag formuliert. Im Regierungslager herrscht bisher Funkstille.
Du Plessis versucht derweil, seine musikalischen Qualitäten in der Band „Percussion-Familiy“ zu verbessern - er darf weder arbeiten noch ein Studium aufnehmen.
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