: Windige Millionen für highe Technik
■ Für Geld wird im Technopark Syke alles erledigt: Von der Volkszählung bis zur Rüstungsforschung
„Wir haben uns im Bereich der Oberflächentechnologie bundesweit durchgesetzt, gegen Bremen, gegen Salzgitter, gegen Braunschweig. Wir haben die besseren Köpfe.“ Hans -Hermann Schreier, Leiter des „Oberflächenzentrums“ im Technologie Park Syke mbH, macht in Optimismus. Bemerkenswert dabei: Das „Oberflächenzentrum“, für das Schreier nach Kräften wirbt, gibt es noch gar nicht. Die notwendigen Finanzierungszusagen der öffentlichen Hand liegen nicht vor. Doch davon ist Schreier nicht sonderlich beeindruckt.
Seit Jahren schon macht Sykes Stadtdirektor Wodtke Millionenbeträge aus Bonn, Hannover und der Stadt Syke für sein Lieblingskind TPS mit flotten Sprüchen locker. Da geht es um die „Präsenz Sykes im Raum der europäischen Freihandelszone und dem Ostblock“ und um „Kontakte von Syke über Europa in den Welt
raum“. Auf diese Art erhalten - oft mit Unterstützung der Grünen im Rat - die Firmen im stadteigenen TPS aus dem schmalen Syker Budget mal 35.000 Mark für die Teilnahme an der Hannover Messe, mal 56.000 Mark als zinsloses Darlehnen für ein Gutachten. Der ehemalige Wirtschaftsförderer der Stadt wird für sein Engagement für den Aufbau der HighTechbude zusätzlich entlohnt oder Dank 168.000 DM kann der TPS „In den großen Wissenspool der Datenbanken in aller Welt eingreifen“.
Für den Anfang finanzierte die Stadt Syke 235.000 DM für Grundstück und Stammkapital, sie finanzierte den Hallenbau und der neueste Coup sind 30.000 DM für einen sechssprachigen Prospekt mit Schwerpunkt TPS: Sogar chinesisch ist mit dabei. Der Stadtrat, der für soziale Ausgaben jede Mark zweimal umdreht, segnet nahezu jeden Antrag ohne Widerspruch ab. Ein Mitarbeiter
im TPS wundert sich denn auch, „wie der Wodtke diesen Rat an der Nase herumführt.“
Dabei hätte der Stadtrat gerade im Zusammenhang mit dem TPS allen Grund, genau hinzusehen. So versprach Wodtke, mit den öffentlichen Geldern sorgsam umzugehen und alle Firmen, die sich im TPS ansiedeln wollen, auf „Herz und Nieren zu prüfen.“ Doch schon nach einem Jahr war die Datenfirma Prisma pleite, trotz eines großzügigen Kredites. Andere kleine Firmen gaben unspektakulär auf: Sie konnten die extrem hohen Mieten im TPS auf Dauer nicht zahlen.
Die Firmen SYDAD und DAFID, zwei Datenfirmen eines Unternehmensberaters, waren dagegen gut im Geschäft. Sie erhielten einen vom Land Niedersachsen für den TPS finanzierten Rechner im Wert von 230.000 DM, ein weiterer von der Stadt Syke und dem Forschungsministerium bezahlter Rechner für 300.000 zur
Verfügung. Syke beauftragte die beiden Privatfirmen, Syker Daten zu verarbeiten. So wanderten nicht nur Wirtschaftsdaten sondern auch die Syker Volkszählungsbögen in den privat betriebenen Rechner. Doch damit nicht genug: Auch die Abwicklung der Sozialleistungen lief über die Rechner. Der niedersächsische Datenschutzbeauftragte findet das „Syker Modell“ auch etwas eigenartig, aber die Datenschutzbehörde habe nach einmaliger Kontrolle vor Ort diese „besondere Datenverarbeitungsform akzeptieren müssen.“
Uneinigkeiten in Fragen der Bezahlung für diese Dienstleistungen führten dann dazu, daß sich der Firmeninhaber vom TPS trennte. Der TPS übernahm 1988 die Firma DAFID samt Rechnern. Heute ist DAFID ein vom Verkehrsministerium finanziertes Projekt zum Aufbau einer Produktdatenbank für Umweltmeß technologien, hinter der ein
Karlsruher Institut steht. Solche Geschichten lassen für das geplante Oberflächenzentrum Schlimmes befürchten. Die tragenden Säulen dieses 23 Mio Mark-Projektes sind die heute schon im TPS arbeitenden Firmen, die von ehemaligen Mitarbeitern des vom Verteidigungsministerium gegründeten „Instituts für Materialforschung“ Bremen (IFAM) eingerichtet wurden.
Das IFAM betreibt in hohem Maße militärrelvante Auftragsforschung. Im Falle der Syker Firma DYBO bracht der Firmengründer sein know how aus Bremen mit: Vorher hatte er sich dort um die Innenbeschichtung von kleinen Rohren und Hülsen mit neuen Werkstoffen gekümmert, militärrelevant ist diese Oberflächenbeschichtung z.B. für Gewehrrohre. Technoparkchef Schreier sieht in der engen Zusammenarbeit des TPS mit einem militärrelevanten Forschungsin
stitut denn auch keine Probleme. Schließlich sei Zusammenarbeit mit der Bundeswehr ja nicht verboten. Das so zivil klingende „Zentrum für moderne Oberflächentechnologie“ im TPS soll insgesamt 23 Mio DM kosten. Niedersachsen befürwortet einen Zuschuß von 11 Millionen. Weitere Mittel sollen aus Brüssel kommen, was am Ende Syke zahlen wird, ist ungewiß. Während Schreier eine Privatisierung grundsätzlich ablehnt und von Syke eine Stammkapitalerhöhung von mindestens 200.000 DM haben will, wirbt Stadtdirektor Wodtke öffentlich für eine Beteiligung an dem „visionären Projekt“ Technopark.
Die Zeit ist überreif für einen Untersuchungsausschuß des Syker Stadtrates. Doch das gibt die Ratsordnung wohl nicht her. Ersatzweise aber könnten die Grünen ihren seit langem verwaisten Aufsichtsratssessel im TPS wieder einnehmen.
Rainer Kahrs
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