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Frauenzeitung-betr.: "Eine gewisse Bissigkeit gehört dazu", taz vom 2.6.89

betr.: „Eine gewisse Bissigkeit gehört dazu“, taz vom 2.6.89

(...) Die Kontroverse um die geplante überregionale Frauenzeitschrift wurde völlig ausgeklammert. Statt dessen lanciert Helga Lukoschat die drei Berlinerinnen, die sich als Initiatorinnen des Projekts verstehen. Eigene Recherchen hat sie nicht angestellt, kritische Fragen fielen ihr wohl nicht ein. Statt dessen verfällt sie in die Rolle einer Stichwortgeberin. Die Folge ist eine glänzende Selbstdarstellerei. Das ärgert nicht nur wegen der journalistischen Schlamperei; es wird auch der Sache nicht gerecht.

Im Mai 1988 trafen sich fast alle Vertreterinnen der regionalen Frauenzeitungen in Berlin. Frau war sich dort einig in der Notwendigkeit einer überregionalen Zeitschrift, die im Gegensatz zu 'Emma‘ von der Anbindung an die Basis lebt.

Ein halbes Jahr später in Frankfurt lagen zwei Konzepte vor. Das Hamburger 'Regionom'-Modell sah eine gemeinsame überregionale Beilage für jede bestehende Frauenzeitschrift vor. So sollte verhindert werden, daß eine Große die vielen Kleinen schluckt. Außerdem wäre so die Basisanbindung gewährleistet.

Das Berliner 'Fazit'-Modell hingegen schlug einen überregionalen Mantel mit regionalem Innenteil vor. (...)

In Frankfurt kam es zum Streit über diese beiden Konzepte. Wir einigten uns auf eine Diskussion in unseren Redaktionen. In Hamburg wollten wir dann die Ergebnisse austauschen.

Aber dazu kam es in Hamburg erst gar nicht. Die Fronten schienen sich verhärtet zu haben.

Einige von uns erfuhren auf dem Treffen Ende April erstmalig, daß die Berlinerinnen bereits Gelder beim Senat beantragt hatten - natürlich ohne Rücksprache mit anderen Frauenzeitschriften. Sie hatten klare Vorstellungen von der Zusammensetzung der ersten Redaktion: drei Redakteurinnen von uns. Sie vermittelten, wir machen die Zeitschrift, egal unter welchen Umständen.

Viele Frauen fühlten sich übergangen. Sie brachten ihren Ärger über diese Eigenmächtigkeit zum Ausdruck. Zu einer Diskussion über eine mögliche gemeinsame Arbeitsgrundlage kam es nicht. Der Versuch der Heidelbergerinnen und der Düsseldorferinnen nach einem Konsens scheiterte. Vorschnell wurde eine Planungsgruppe gegründet, die das 'Fazit'-Konzept weiter ausarbeiten wollte. Der Aktionismus war nicht zu bremsen.

Das Ziel - basisnahe Zeitschrift - war gestorben. 'Emma‘ zwei läßt auf sich warten. Der neue Zentralismus hatte sich gegründet.

Auf diesen Vorwurf geht Ulrike Helwerth in dem Interview ein, nennt ihn, um damit Wind aus den Segeln zu nehmen. Die Interviewerin hat daraufhin nichts besseres zu tun, als ihn zu entkräften: „Eine Zeitung muß gut organisiert sein und straff arbeiten. Ich nehme nicht an, daß ihr ein Blättchen machen wollt mit einer dreitausender Auflage, was frau noch so nebenbei machen kann.“

Woher weiß sie, daß „Blättchen“ nicht gut organisiert und straff arbeiten? Seit wann entscheidet die Auflagenhöhe über die Qualitäten der schreibenden und organisierenden Frauen? Die 'Bild'-Zeitung müßte dann perfekt sein.

Kerstin Lück führt die Rechtfertigung weiter, indem sie das Problem verlagert: „Für viele aus der 'Provinz‘ entstand der Eindruck, daß wir aus den Großstädten ihnen etwas überstülpen wollen. Es spielt das Stadt-Land-Gefälle mit hinein.“

Die Berliner Lokalpatriotinnen lassen grüßen. Der goldene Käfig verengt wohl den Blick. Es geht nicht um ein Stadt -Land-Gefälle. Es geht um die Frage: Zeitung von oben oder von unten. Eine feministische Zeitschrift sollte demokratisch strukturiert sein. Inhalt und Form bedingen sich gegenseitig. Aber das ist leider kein Thema. (...)

Abschminke, Heidelberg, Komma, Düsseldorf

Die Diskussion bleibt

(...) Kann es eine radikale Autonomie in einem Projekt, wo meine Mitarbeit meine finanzielle Existenz bedeutet, geben?

Will ein solches Projekt Teil der autonomen Frauenbewegung sein?

Kann so eine „Überregionale“ ein Projekt der autonomen Frauenbewegung sein?

Ist die Frauenbewegung inzwischen ein Pool für Arbeitsplatzbeschaffung oder eine politische Kraft? Kann sie beides sein?

Es ist kein Zufall, daß diese Fragen in der Diskussion auf dem bundesweiten Frauenzeitungstreffen in Hamburg nicht offen diskutiert - höchstens gestreift wurden. An den Arbeitsgruppen, die sich auf den Erfahrungsaustausch der regionalen Redaktionen untereinander konzentrierten, hat die Fazit-Gruppe aus Berlin nicht teilgenommen - was auch ihren Interessen gemäß ein folgerichtiges Verhalten war: Erstens ist die Fazit-Gruppe keine regionale Redaktion und zweitens eine Gruppe, die aus Einzelfrauen besteht, die an einer Gründung einer „Überregionalen“ interessiert sind. Und zwar an einer „Überregionalen“, die nach ihrem Konzept entwickelt wird.

Die Redaktionsgruppen, die an diesen Arbeitsgruppen teilgenommen haben, sahen dies auch als Gewinn und möchten diese Auseinandersetzung gern weiterführen, wozu das nächste Treffen in Dortmund im November sicherlich Gelegenheit geben wird.

Und eine neue Überregionale wird es mit Sicherheit geben. Wir werden sie auch selbstverständlich abonnieren, lesen, wir werden sie lieben und wir werden sie hassen, wir werden sie loben und zerreisen - nur eines, das wird sie nicht sein: Ein gemeinsames Projekt der regionalen Frauenzeitungen in der BRD/Westberlin.

Uta Bollow, Hamburg

(...) Wir sind eine der kleinen, regionalen Frauenzeitungen, die in Hamburg waren; die Berichterstattung über das Treffen, wie sie von der taz in Zusammenarbeit mit den drei Fazit-Frauen vorgenommen wurde, spricht für uns Bände, was das Verhältnis von Zeitung und (Frauen-)Bewegung betrifft:

Erstens werden Frauenprojekte wie die Frauenzeitungen ausgenutzt. Die Fazit-Frauen schreiben in der taz: „Wir sind auf die Mitarbeit vieler kompetenter Frauen angewiesen.“ Sie denken an eine Art „Beirat“, der die neue Zeitung „herausgeben“ (das heißt bezahlen?) und inhaltlich beraten (das heißt die Ideen liefern?) darf. Wenn mit der Kraft und der Energie von „kompetenten Frauen“ so verfahren wird wie in dem Interview mit den Frauzeitungsfrauen des Hamburger Treffens, dann sollten Feministinnen auf die „Mitarbeit“ an der „Neuen“ unbedingt verzichten.

Zweitens versuchen die Berlinerinnen, politische Kontroversen umzumodeln. Sie sagen, es gäbe den Vorwurf an sie, „zentralistisch“ zu sein. Aber sie deuten das rein geographisch. „Die Idee kam aus Berlin“, und „für viele aus der 'Provinz‘ entstand der Eindruck, daß wir aus den Großstädten ihnen etwas überstülpen wollen.“

Abgesehen davon, daß „Provinz“ hier alles zu sein scheint, was außerhalb der Berliner Stadtgrenzen liegt, versuchen die Fazit-Frauen so, konsequent das politische Problem des „Zentralismus“ zu negieren. Das Problem ist ja, daß eine Alternative zur 'Emma‘ eben nicht personell und strukturell zentralistisch sein soll (ist denen in der „Metropole“ entgangen, wie unlängst von A.Schwarzer mit dem „Frauenarchiv“ verfahren wurde?), sondern eine Anbindung an Frauenbewegung und Frauenzeitungen der Regionen haben muß. Anders ist eine lebendige, langfristig politisch wirksame feministische Zeitschrift nicht denkbar.

Drittens fragen wir uns nicht ohne die von den Fazit-Frauen geforderte „gewisse(n) Bissigkeit“, ob die neue Frauenzeitung nicht eher zwischen 'Emma‘ und 'Tempo‘ anzusiedeln ist.

Über die Inhalte der „Neuen“ sind Stichworte statt politischen Schwerpunkten zu finden: „Zypern“, „Strobl -Prozeß“, „Memmingen“ - aber lustvoll.

Weil Frauen von den Ideen der italienischen Feministinnen um den Turiner Frauenbuchladen so begeistert sind, ist die „Neue“ schon gleich mißtrauisch und würde mit nichts geringerem als einer „bissigen und brillanten Kritik der Affidament-Theorie“ aufwarten. Für alle, die schon immer gern ein bißchen von oben auf Frauenprojekte schauten“

Über solche Diskussionen brilliant hinweggehen und feministische Theorien auf farbigem Papier und „zum Aufschneiden“ führen (auf die Verpackung kommt es an?): da deutet sich ein Verhältnis zur Politik in der Frauenbewegung an, das wir modisch nennen würden. Dazu würden noch die erwähnten Themen „life-style“ und „body-styling“ passen. „Auch fehlt in fast allen Frauenzeitschriften das Thema Sexualität“, meint eine Fazit-Frau zu unserer allergrößten Überraschung. Und das alles auf „Profi-Niveau“, mit „klarer Arbeitsteilung“ und immer und immer „lustvoll“.

Wir wünschen den Fazit-Frauen, daß sie mehr aus gemeinsamen Erfahrungen lernen - oder daß ihre Zeitungsidee wie alle Zeitgeistprodukte schnell wieder in Vergessenheit gerät.

Lava, Karlsruher Frauenzeitung

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