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Großer Krach in der SPD um Methadon

■ SPD-Fraktions-Ausschuß fordert Methadon auch für Bremer Junkies / Neuer Senatsentwurf: Alles bleibt beim alten

Was war immer das beste parlamentarische Mittel, um unliebsamer Einfälle mehrheitlich Herr zu werden? Nicht die knallharte, womöglich gar noch öffentlichkeitswirksame Ab -und Niederstimmung. Bewährt hat sich da vielmehr die Überweisung an Kommissionen und Ausschüsse, die viel Papier und Energie verbrauchen und sich nach langer Zeit bestenfalls mit irgendeinem Diskussionspapier zur Meinungsbildung noch mal melden.

Diesmal hat das nicht geklappt. Der nichtständige Ausschuß der SPD-Bürgerschaftsfraktion „Drogen, Aids, Randgruppen“ vor gut einem Jahr gegründet, war aktiv. Die Mitglieder vertieften sich in Fachliteratur, reisten gemeinsam nach Amsterdam und Zürich, begutachteten dort Hilfen für Drogenkranke, Methadonprogramme, Suchtkliniken. Und zu Taten entschlossen formulierten sie ihre Erkenntnisse und politischen Forderungen in einem Papier, das am letzten Montag zusammen mit der Fraktion diskutiert werden sollte.

Der Knackpunkt des internen Ausschuß-Papiers, das der taz vorliegt und aus dem ein SPD-Antrag für die Stadtbürgerschaft werden sollte, lautet: Im Rahmen seines Drogenhilfeplanes hat der Senat auch den Einsatz von Methadon (ärztlich verschreibbare, legale Ersatzdroge für Heroin, d. Red.) als einer Hilfsmöglichkeit vorzusehen, insbesondere bei entzugswilligen Drogenabhängigen mit dem Ziel der Drogenfreiheit,

die das Angebot eines „kalten Entzuges“ nicht annehmen können. Im Klartext: Wie schon in anderen Bundesländern soll es Methadon nicht nur für schwer aidskranke oder todkranke FixerInnen geben, sondern auch für solche, die verelendet im aussichtslosen Kreislauf zwischen Sucht, Kriminalität und Knast gelandet sind.

Und der Krach war da. Schon vor der Fraktionssitzung, als der SPD-Ausschußvorsitzende Reinhold Stiering das Produkt der einjährigen Ausschußarbeit vorstellte, drohte der empörte Jugend- und Sozialsenator Henning Scherf, gegen dessen bisherige strikte Anti-Methadon-Haltung

das Papier Alternativen vorschlägt, mit einem Gegenpapier. In der Fraktions-Sitzung am letzten Montag ging es dann hoch her. Als Gegenschlag für das Ausschuß-Papier knallte Scherf einen Entwurf von Gesundheit und Soziales auf den Tisch, der eigentlich nur zur Ressortabstimmung gedacht war und in dem weitgehend das vorkommt, was sowieso geltendem ärztlichen Recht entspricht. „Da hat er mich gelinkt“, entfuhr es Gesundheitssenatorin Rüdiger vor versammelter Mannschaft. Sie mochte aber für ihr Ressort, das nun einmal für Kranke und nicht für die Junkies am Sielwall zuständig ist, inhaltlich nichts zurücknehmen. Und

Bürgermeister Wedemeier sprang in der Not seinem Stellvetreter Scherf bei.

Abgestimmt wurde erstmal nichts. Scherf wehrte sich mit Macht, Senat und Bürgermeister gegen die Idee eines „Drogenhilfeplans für eine neu orientierte Drogenpolitik“ und konnte sich bestenfalls eine „Weiterentwicklung“ des Bisherigen vorstellen. Methadon für drogenhabhängige Frauen als Sonder-Programm und für Inhaftierte vor der Entlassung, wie der Ausschuß fordert, kommt für ihn nicht in Frage: „Substitution soll institutionell in keine Konkurrenz zu anderen Hilfsangeboten gebracht werden“, lautet seine geänderte Antragsfassung.

Am Dienstag ging der Streit im Senat weiter. Dem gemeinsamen Papier der Ressorts Gesundheit und Soziales, das Methadon nur in ganz engen Grenzen für Todkranke, Schwangere und Bettlägrige Drogenkranke vorsieht, stimmten bis auf einen alle SenatorInnen zu, also auch Vera Rüdiger. Nur einer enthielt sich im Senat der Stimme: Justizsenator Volker Kröning.

Der nämlich hatte, schon am 30. Mai, in einem so sachlichen wie dringlichen Schreiben an die GenossInnen berichtet, daß im Knast 15-20 Prozent der männlichen und ca. 50 Prozent der weiblichen Inhaftierten drogenhabhängig seien, von Ausgang, Freigang, offenem Vollzug und damit der sonst üblichen Entlassungsvorbereitung ausgeschlos

sen seien und daß „die Wiedereingliederungs-Chancen inhaftierter drogenabhängiger Gefangener gering sind“. Kröning hatte bislang immer vertreten, daß ein nur auf den Knast begrenztes Methadon-Programm unsinnig sei. Er schrieb: „... daß die Kriterien für eine medizinische Indikation nicht zu eng gefaßt werden sollten“ und schlug vor abzuklären, „ob eine Substituierung, beispielsweise mit 'Remedazen‘, ärztlich verantwortbar ist“.

Inzwischen liegt eine interne Neuformulierung des Antrags vor, formuliert von den Ressorts Gesundheit, Soziales und Justiz, die der Senat vor der Fraktionssitzung am Mittwoch am Dienstag abstimmen will. Auch dieses interne Papier vom 22. 6. liegt der taz vor.

Für die auf die Chance Methadon hoffenden Junkies soll danach ganz auf Scherfscher Linie alles beim alten bleiben, die Ersatzdroge nur in schweren und tödlichen Krankheitsfällen und bei Schwangerschaft verschrieben werden. Terrain gewonnen hat vielleicht Volker Kröning, dessen Formulierungen zum Teil übernommen wurden. Anstaltsärzte, so die Vorlage, können Methadon nach medizinischen Kriterien, „die nicht zu eng gefaßt“ sein sollen, verschreiben, auch nach der Entlassung sollen die Gefangenen „medizinisch und sozialarbeiterisch“ betreut werden. Ob mit Methadon, bleibt offen. Die Fraktion stimmt am Mittwoch ab. Susanne Paa

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