Warum sind rechte Schüler rechts?

■ Dokumentarfilme über Skins, Punks und Ökos in Bremer Klassenzimmern

Warum sind „linke“ Schüler links, warum „rechte“ rechts? Die Aula im Schulzentrum Vorkampsweg war brechend voll, als zum ersten Mal die Filme der Video-AG der Schule gezeigt wurden. Neben einem äthetisch abstrakten Film „Alles fließt“ hatten die SchülerInnen mit der Medienpädagogin Dagmar Gellert ein akutes politisches Thema gewählt: Skins, Punks, Rechte, Linke, Ausländer. Der „ideologische“ Konflikt schwelt unter den 14-19jährigen, in Interviews hat die Video-Gruppe Meinungsunterschiede und kulturelle Verschiedenheiten thematisiert.

Unter dem Titel „Drei rechts, drei links, kein Strickmuster“ werden authentisch jeweils drei SchülerInnen vor der Kamera befragt: Warum gehörst du zu dieser Gruppe? Welche Themen findest du wichtig in der Politik? Was ist, wenn die Gruppe der Linken auf die Gruppe der Rechten trifft? Die Kamera rückt nah ran an die halbwüchsigen Gesichter, zeigt Antworten, die glatt und selbstverständlich kommen oder stockend. Martin Becker, der „Anführer“ der Skins in Horn, erzählt, daß er sich früher als FAP-Mitglied immer ein wenig ausgenutzt fühlte und austreten mußte, als die Eltern über die Hausdurchsuchung der Polizei verärgert waren, daß er von den Eltern weg wollte und vergeblich eine Wohnung suchte,

daß er als Lehrling rausflog ... Da drücken 16jährige nebeneinander die Schulbank und rechnen sich weltanschaulichen Richtungen zu, die sich aufs Messer bekämpfen. Die Antworten sind entwaffnend offen, spiegeln das selbstverständliche Umgehen miteinander in der Schule, in die nur ab und zu die grausame Realität einbricht. Wenn sie betrunken sind, berichten die „Skins“ vor der Kamera, dann kann es sein, daß sie auf Fremde einfach einschlagen. Sonst, in der Klasse, ist Denis ganz nett, sagt ein Mitschüler.

Nach der Filmvorführung haben wir mit Christine Stubbmann („Linke“ und Interviewerin aus der Video-Gruppe) und ihrem Klassenkameraden Denis Burfeindt, dem selbstbewußten Glatzkopf des Films, im Schulflur gesessen und geredet.

Hat Dir der Film gefallen?

Denis: Ja.

Hättest Du Lust, auch sowas zu machen?

Denis: Weiß ich nicht, Wahrscheinlich nicht. Vier Monate Arbeit für eine Viertelstunde Fernsehgucken!

So viel Arbeit war das?

Christine: Wir haben angefangen zusammenzustellen, was wir überhaut machen wollen, wir mußten eingeführt werden in die Interview-Technik, in die Tontechnik.

Was hast du gelernt als „Interview-Technik“?

Christine: Nachzuhaken, aber trotzdem ruhig zu bleiben.

Wenn Du jetzt Dich nach einem Jahr auf der Leinwand siehst, hast Du da den Eindruck: Ja, das bin ich?

Denis: Ich seh mich genauso wie ich bin.

Nur: die Skin-Gruppe gibt es nicht mehr?!

Denis: Ja, die hat sich aufgelöst.

Warum?

Denis: Kein Geld mehr, keine Lust mehr..

Geld - wofür?

Denis: Irgendwelche Parties zu veranstalten, Sauftouren.

Der Film hat ja eine unterschwellige These: Cliquen, Zusammenhängen mit Gleichgesinnten, der Martin hat auch gesagt, er könne sich vorstellen, bei den „Linken“ zu sein, wenn er anders aufgewachsen wäre ...

Denis: Ja, das könnte ich mir auch vorstellen.

Sind die politischen Ansichten so fest, daß ihr denkt: das wird auch noch in zwanzig Jahren so sein, Denis ist ein Rechter, Christine eine Linke?

Christine: Das kann man nicht sagen. Man kommt aus seinem Elternhaus raus, die Eltern öden einen an, man will sich abkapseln. Dann geht man in eine Gruppe rein und ist ohne zu merken in einer, die die Vorstellun

gen der Eltern verkörpert. Einige richten sich total gegen die Eltern, total punkig, andere, die ein bißchen rechts erzogen worden sind, die gehen dann auch in rechte Gruppen rein. Man sieht aber, Martin Becker zum Beispiel, der ist 19 und hat immer noch die gleiche Meinung wie mit Fünfzehn.

Kinder aus linken Elternhäusern gehen nicht aus Protest in rechte Guppen?

Christine: Nein, das glaube ich nicht.

In den rechten Gruppen sind viele Hauptschüler, sagt man, in den linken eher Gymnasiasten ...

Denis: Ich bin zu der Gruppe gekommen, als ich noch Gymnasiast war.

Christine: Aber viele in der Gruppe waren Hauptschüler.

Gibt es Konflikte zwischen den Gruppen in der Schulklasse? In dem Film „Türkenfeind“ wurde ein Beispiel gespielt.

Denis: Ich fand da dran überhaupt nichts Türkenfeindliches. Das hätte genauso zwischen zwei Deutschen passieren können.

Christine: Wir haben einen Türken in der Klasse und das wirkt sich nicht aus. Die Leute, die den nicht abkönnen, die beachten ihn halt nicht.

Sind das viele?

Chrisine: Einige, aber das liegt nicht daran, daß er Türke ist, sondern an seinem Verhalten.

(Zu Denis) Hast Du Probleme in der Klasse, weil Deine Einstellung bekannt ist?

Denis: Nein.

Aber es gibt einige in der Klasse, die das ablehnen, was Du denkst?

Denis: Ja, aber die lehnen nicht mich ab. Nur das, was ich denke.

Das kann man unterscheiden?

Christine: Ja.

(Zu Denis:) Machst Du das umgekehrt auch so?

Denis: Ja. Es gab eine Zeit, wo das nicht so war.

Woran liegt das, ob man das unterscheiden kann?

Denis: Weiß ich nicht. Habe ich mir früher nie Gedanken 'rüber gemacht. Da waren Leute, die ich früher richtig gut kannte. Und dann haben die sich alle grüne oder rote Haare gemacht und ich hatte meine Glatze und dann habe ich die halt abgelehnt.

K.W.

Die Videos können beim SZ Horn ausgeliehen werden.