: Sichere AKWs bis zum Jahr 2000086
Forschungsminister Riesenhuber stellt Sicherheitsstudie zu Atomkraftwerken vor: Alles ist noch sicherer geworden / Faktor Mensch schützt vor Faktor Technik / Öko-Institut: Studie ist nicht das Papier wert ■ Von Wolfgang Gast
Belin (taz) - Die deutschen Atomkraftwerke werden immer sicherer, das „Restrisiko“ fällt langsam unter Null. Forschungsminister Riesenhuber und die „Gesellschaft für Reaktorsicherheit“ setzten gestern in Mannheim die seit 1986 ange- kündigte „Deutsche Risikostudie Kernkraftwerke, PhaseB“ in Szene.
Das rechnerische „Restrisiko“ für die bundesdeutschen AKWs ist danach in der letzten zehn Jahren noch einmal um zwei Drittel gefallen. Störfälle, die von der Sicherheitstechnik nicht mehr bewältigt werden, dürfen von nun an in Druckwasserreaktoren des Typs BiblisB nur dreimal in 100.000 Jahren eintreten. Sie werden dann durch Notfallmaßnahmen des Bedienungspersonals bewältigt.
Und unter Berücksichtigung des menschlichen Eingreifens errechnen sich für jede Anlage binnen einer Million Jahre nur noch vier „Ereignisse“, bei denen es zur gefürchteten Kernschmelze kommen kann. Drei Jahre nach der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl rückt ein ähnliches Ereignis für die Bundesrepublik statistisch ins Jahr Zweimillionensechsundachtzig.
1979 hatte die Reaktorsicherheitsstudie die Möglichkeit eines Super-GAUs, des „größten anzunehmenden Unfalls“, in den Bereich der Astronomie verwiesen. Über den Daumen gepeilt, hätte dieser Störfall einmal alle Million Jahre auftreten, die Bevölkerung umbringen und breite Landstriche über Jahrhunderte verwüsten dürfen. Aber noch im Erscheinungsjahr schrammte der US-amerikanische Reaktor in Three-Mile-Island nur haarscharf an der Katastrophe vorbei, am 26.April 1986 trat der statistisch nahezu unmögliche Fall dann ein: Tschernobyl.
34 Millionen Mark hat allein die PhaseB der Reaktorsicherheitsstudie gekostet. Zum Sinn der ganzen Forschungstheorie meinte der Minister, die Identifizierung von Schwachstellen und die Erarbeitung von Fragestellungen zur weiteren Forschung seien notwendig.
Zehn Jahre nach Einführung des Begriffs „Restrisiko“ in der „Risikostudie PhaseA“ setzt Forschungsobmann und High-Tech -Freak Riesenhuber voll und ganz auf Accident-management. War die Sicherheitsphilosophie der Atomlobby bislang von der Angst menschlichen Versagens geprägt, so sind in der neuen Studie die menschlichen Ressourcen plötzlich die „Sicherheitsreserven“. Diesen ist zu danken, daß die Häufigkeit nicht beherrschbarer Störfälle rechnerisch noch einmal um das Zehnfache herabgesetzt werden konnte - so Riesenhuber.
Das Öko-Insititut in Darmstadt, das im Auftrag des Kieler Energieministeriums die Angaben der Riesenhuberstudie unter die Lupe nahm, kommt bereits nach einer öberflächlichen Analyse zu dem Schluß, daß die Studie den Preis des Papiers nicht wert ist. Sie mache nicht einmal zu den „drängensten Problemen“ Risikoaussagen, etwa zur Frage, ob die AKW -Betonhülle nach einer Kernschmelze überhaupt den Temperaturen, dem Druck oder einer möglichen Wasserstoffexplosion standhalten würde. Riesenhubers Accident-management könne für „zentrale Problembereiche nur als unseriös bezeichnet werden“.
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