Feldwebelton für Friedensfreunde

■ Patzige Antwort auf pazifistische Agitation vor der Bundeswehr-Kaserne

Die Satteltaschen voller Flugblätter radelten sie die Leuchternburger Chaussee entlang von Bremen ins Garnisonsdorf Schwanewede. Ernst Busche, Hannelore Skira, Sabine Niederer, Monika Schmidt-Sommerschuh, Ludwig Baumann und sein Sohn Andre wollten die Wehrkraft der rund 3.000 Panzergrenadiere zersetzen, die am Freitag ab 13 Uhr aus dem Haupttor der Lützow-Kaserne ins Wochenende aufbrechen sollten. Hauptargumente in den Köpfen und Satteltaschen der drahtigen Senioren: Im Air-Land-Battle-Konzept der Nato, auch von deutschen Generälen abgesegnet, kommt Mitteleuropa nur noch als atomares „Gefechtsfeld“ vor, die Vernichtung der Deutschen ist eingeplant.

Doch als diese Argumente noch per Fahrrad zu ihnen unterwegs waren, da hatten die meisten Soldaten das Kasernentor per Autor schon passiert und waren in die (überwiegend westfälische) Heimat unterwegs, etwa eine Stunde früher als üblich. Waren die Pläne der Friedenskämpfer durchgesickert? „Wir bemühen uns, am Freitag so früh wie möglich Schluß zu machen, weil unsere Soldaten so einen weiten Heimweg haben“, sagte der stellvertretende Kasernenkommandant Wollweber unschuldig.

Immerhin, die Nachhut war noch da. Einige hundert Soldaten standen unter den Alleebäumen und warteten auf ihre Mitfahrgelegenheiten. „Air-Land-Battle“, davon hatten sie noch nie was gehört. „Die werden von ihren Offizieren nicht wahrheitsgemäß informiert“, schlußfolgerte Baumann. Auch Kasernenkommandant Wollweber zeigte sich überrascht: „Wenn das stimmt, was Sie sagen, dann ziehe ich sofort meinen Rock aus“, sagte der smarte Oberstleutnant in natogrüner Kampfkombi.

Den Rock ausziehen, den Wehrdienst verweigern, das war es genau, was Baumann und Busche den Rekruten vorschlugen. Die meisten quittiertens mit Schweigen oder Schulterzucken. „Dann muß ich ja noch sechs Monate länger“, sagte einer in knarrendem ruhrpöttisch, „nee, nicht mit mir!“ Dennoch: Der weißhaarige Baumann, der seine Vergangenheit als Weltkriegssoldat, als Deserteur und KZ-Häftling bei den Gesprächen kurz aufscheinen ließ, machte sichtlich Eindruck auf die jungen Männer.

Es ist nicht Baumanns erster Einsatz vor Bundeswehrkasernen. Eine Woche zuvor war er in Bremen-Grohn und hatte es dort nicht mit „W-15ern“ zu tun, sodern mit Unteroffizieren und Leutnants, die Lehrgänge an der Truppenschule absolvieren. „Sie kriegen gleich eine an'n Hals“ hatte dort ein Feldwebel Baumann angeschrien und die Polizei geholt. Die hatte aber gegen Baumanns Flugblatt-Aktion nichts einzuwenden. Ein Oberstleutnant, der kurz darauf aus dem Tor kam, faßte sich kürzer. Für ihn war Baumann schlicht ein „Arschloch“. Wegen dieser Attacken hat sich Baumann beim Komandanten der Truppenschule beschwert. Oberst Gerhard Stroth entschuldigte sich brieflich für die „verbalen Entgleisungen“ seiner Soldaten. Aber auch der Oberst selbst zeigte sich mit Worten wenig zimperlich: Der Inhalt von Baumanns Flugblatt ist für ihn „Rufmord“ an den Soldaten, die „ihren Dienst für den Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung leisten.“

mw