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„Legenden hüben wie drüben“

■ SPD-Historiker Heimann sprach am Prenzlauer Berg über die „politischen Neuanfänge im Wedding und Schöneberg nach '45“

Die Husemannstraße im Prenzlauer Berg ist für Ost-Berlin, was der Kreuzberger Chamissoplatz für den Westteil der Stadt ist: Die Straße ist Kulisse und Drehort historischer Retrospektiven, ein Platz, der Reminiszenzen weckt und daher vornehmlich von Touristen heimgesucht wird. Wer sich noch einmal von den Aufbauleistungen der DDR überzeugen will, dem bietet das dortige Museum „Berliner Arbeiterleben um 1900“, eine Dependance des Märkischen Museums, dazu eine Gelegenheit.

Seit einigen Wochen beherbergt das Museum auch noch eine Ausstellung der West-Berliner Geschichtswerkstatt, „Die Rote Insel. Zur Geschichte des Schöneberger Arbeiterviertels“. Daneben läuft 14tägig eine Vortrags- und Diskussionsreihe, vornemlich zu milieugeschichtlichen Themen. Aus dem Rahmen fiel da das Referat des sozialdemokratischen Historikers Siegfried Heimann in der vergangenen Woche. Sein Thema: „Die politischen Neuanfänge im Wedding und Schöneberg nach '45“. Ihm von der DDR als Korrektiv zur Seite gestellt schien Frau Dr.Badstübner, Vertreterin eines bekannten DDR-Historiker -Clans.

Heimann wollte mit einigen „Legenden hüben wie drüben“ aufräumen: Für viele DDRler neu war sicherlich der Hinweis, daß es '45 die SPD war, die sich um eine Vereinigung der beiden Arbeiterparteien bemühte, aber an der Zurückhaltung der „Gruppe Ulbricht“ scheiterte, deren Parole lautete „Erst Klarheit, dann Einheit“. Nicht weniger befremdlich: die Forderung der SPD, die KPD habe sich ihr anzuschließen, da es die Sozialdemokraten seien, die die sozialistische Revolution auf ihre Fahnen geschrieben habe. Der Gründungsaufruf der KPD vom Juni '45 gibt sich gemäßigt, stellt keine Forderungen nach Vergesellschaftung. Dem Moskauer Exilanten ging es nach dem Krieg zunächst um die Vollendung „der bürgerlich-demokratischen Umgestaltung“. Die spontan gebildeten Antifa-Ausschüsse, die die ersten Regungen des politischen Lebens in Berlin trugen, waren allen Besatzungsmächten ein Dorn im Auge.

Frau Badstübner hielt sich bei allem moderat zurück, griff diese Frage lediglich als eine Forschungsperspektive auf. Etwas ungestümer, aber auch unsicherer wurde sie, als der Punkt „Urabstimmung“ unter den Mitgliedern der SPD '46 über eine Vereinigung mit der KPD zur SED angesprochen wurde. Den Ost-Bezirken der SPD wurde eine Teilnahme von den Sowjets verwehrt. Eine Mehrheit der West-SPD sprach sich gegen ein Zusammengehen, aber für eine Zusammenarbeit mit der KPD aus. Das provozierte die Frage eines Zuhörers, wieso die KPD so schnell ihre Glaubwürdigkeit verspielen konnte. Frau Badstübner flüchtete sich in eine hilflose Zahlenspielerei, worauf sich jemand aus dem Off meldete: „Warum können wir das nicht einfach zugeben?“

Verblüffend war Heimanns Hinweis, die Befürworter einer Vereinigung in der SPD, die dann auch in die SED wechselten, ließen sich nicht in das gebräuchliche Rechts-Links-Schema einordnen. Häufig seien sie sogar eher rechte Vertreter gewesen. Und was passierte mit denen, die ihren Beschluß bald bereuten? fragt ein Hobby-Historiker. Ein dunkles Kapitel, und der Beginn des militanten Antikommunismus der Berliner Sozialdemokratie.

Klaus-Helge Donath

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