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„Bleibt auf dem Lande, und wehret Euch täglich“

Agraropposition veranstaltet ihren ersten Bauerntag / Der Dachverband der Deutschen Agraropposition ist gegen den Ausverkauf der bäuerlichen Landwirtschaft  ■  Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Melsungen/Frankfurt (taz) - „Der Dachverband der Deutschen Agraropposition (DDA) ruft alle Bäuerinnen und Bauern, alle VerbraucherInnen und umweltinteressierten Menschen auf, den Ausverkauf der bäuerlichen Landwirtschaft nicht mehr hinzunehmen, sich zu wehren, selbst aktiv zu werden und die Agraropposition in ihren Zielen zu unterstützen.“ Mit diesem Zitat aus dem Grundsatzprogramm der Agraropposition eröffnete DDA-Vorstandsmitglied Reinhold Frener, der sich in Baden-Württemberg - „hart an der bayerischen Grenze“ - der Milchwirtschaft verschrieben hat und nebenbei noch etwas Bullenmast betreibt, am Sonnabend den ersten Bauerntag der Agraropposition in der Stadthalle von Melsungen in Nordhessen. Rund 200 Bäuerinnen und Bauern, Natur-, Tier und Umweltschützer sowie Vertreter von Dritte-Welt-Gruppen waren gekommen, um Strategien zur Entsorgung von politischem Mist aus Bonn und Brüssel zu diskutieren: „An die Forken.“

Die Agraroppositionellen, die bislang vom christdemokratischen Präsidenten des mächtigen Deutschen Bauernverbandes, Constantin Freiherr von Heereman, als „linke Chaoten“ und „Spinner“ desavouiert wurden, haben sich endlich formiert: Renommierte Verbände, wie etwa der BUND -Naturschutz oder der Deutsche Bund für Vogelschutz sind Mitglieder im DDA geworden, so daß Frener in Melsungen mit Blick auf den Bauerntag der Heeremänner, der in wenigen Tagen in Würzburg beginnt, feststellen konnte, „daß der Kreis unserer Verbündeten immer größer wird“.

Das Konzept der Integration von Umweltverbänden in einen oppositionellen Bauernverband lockte am Sonnabend auch einen Vertreter der europäischen Bauernkoordination nach Melsungen. Gerard Choplin aus Paris nannte den DDA ein „Beispiel für die anderen europäischen Länder“, deren Bäuerinnen und Bauern gleichfalls von der Agrarindustrie und deren Lobbyisten in Brüssel in die Verelendung getrieben würden. Choplin: „Zweihundert Jahre nach der französischen Revolution haben wir nicht mehr gegen den Adel und die Kirchen, sondern gegen die Banken und die Industrie zu kämpfen.“ Selbst im agrarindustriellen Musterländle Holland, das von den auf quantitatives Wachstum setzenden Landwirtschaftspolitikern aller Herren Länder jahrelang als „positives Beispiel für eine intensive Bodenbewirtschaftung gepriesen“ worden sei, würden die Zeichen auf Sturm stehen. Erst vor Wochen sei die Regierung in den Niederlanden gestürzt, weil die ökologischen Probleme - die Überdüngung der Böden und die Massenproduktion von Gülle - den politisch Verantwortlichen über die Köpfe gewachsen seien. Choplin: „Es ist eben leichter, Käse zu exportieren, als Gülle.“

Der frenetische Beifall, den Choplin für seine Rede vor dem agraroppositionellen Forum in die eigene Scheuer fahren konnte, war Beleg dafür, daß die Basis des DDA kämpferischer eingestellt ist als (noch) der Vorstand. Hin- und hergerissen zwischen dem Anspruch, schon heute eine Gegenmacht zum Kurs der Heeremänner und Kiechles zu sein, und der Notwendigkeit, die dickfellige Bauernschaft, die noch zu 90 Prozent im Deutschen Bauernverband organisiert ist, in die Einzelverbände des DDA zu locken, traten die Vorstandsmitglieder vor der Presse und auf dem Podium doch eher moderat auf. Die Landtagsabgeordnete der hessischen Grünen und Vorsitzende des Landwirtschaftsausschusses, Irene Soltwedel, vermißte denn auch eine klare Aussage des DDA -Vorstandes in Sachen biologisch-dynamischer Landbau - „und das hätte auch eine Zukunftsprognose sein dürfen“ (Soltwedel). In der Tat spricht der DDA nur von einer „deutlichen Senkung“ der Produktionsintensität und davon, daß eine ökologische Wirtschaftsweise auf den Höfen „verstärkt gefördert“ werden müsse. Innerhalb der Agraropposition zeichnen sich deshalb schon Konflikte zwischen den Anhängern der „reinen Lehre“ und denen ab, denen es um die Integration auch der Bäuerinnen und Bauern geht, die (noch) nach konventionellen Methoden arbeiten. Kritik gab es an den vier Arbeitsforen, auf denen unter anderem über die Situation in Holland oder über die Probleme der Landfrauen diskutiert werden konnte. Politisch interessierte Jungbäuerinnen und -bauern vermißten dagegen ein Arbeitsforum etwa zur Gentechnologie.

Auf dem kleinen Bauernmarkt jedenfalls, der hinter der

Melsunger Stadthalle aufgebaut war, kamen alle auf ihre

Kosten: die Roh- und Gemischtkostler ebenso wie die

Fleischfresser. Und vielleicht war es ja nur Zufall, daß

ausgerechnet der Stand, der fettige, „hausgemachte“

Bratwürste anbot, den meisten Zuspruch hatte, während die

„Dinkel-Brötchen“ im Laufe des Tages immer trockener wurden. Das Motto des Tages jedenfalls hatten junge Bäuerinnen und Bauern schon am Morgen auf ein Transparent gemalt: „Bleibt

auf dem Lande, und wehret Euch täglich.“ Der erste Bauerntag der Agraropposition endete gestern mit einer Kundgebung in der Melsungener Innenstadt.

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