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HOPIS IN KONSERVEN

■ Uraufführung von „Techqua Ikachi“ und weitere Hopifilme im „Haus der Kulturen der Welt“

„Fotografieren, Filmen und Tonbandaufnahmen für alle Fremden verboten“, zeigt eine handgeschriebene Brettertafel vor dem Hopidorf Hotevilla an; mit dieser Einstellung beginnt Techqua Ikachi (Land - Mein Leben). Warum die Hopiindianer aber selbst einen Film über sich machen wollten, erzählt dann zu den ersten Bildern von zwei Mais aussäenden Händen die Stimme eines alten Mannes in der Sprache der Hopis, die Teil jener indianischen Kultur ist, deren unaufhaltsamer Verlust ihre filmische Dokumentation notwendig machte. Techqua Ikachi bannt verzweifelt auf Zelluloid, was verschwindet, und kämpft um ein Überdauern wenigstens in Bildern.

Hopimädchen in Schuluniformen tanzen Ringelreihen; Indianerjungs üben marschieren; lachende Hopis bügeln und werkeln; über allen flattert die US-amerikanische Flagge, und die Nationalhymne erklingt - Ausschnitte aus einem 1915 in einem Internat für Indianer gedrehten Film. Doch nicht nur damals erfuhren die Hopis das Medium Film als eine eindeutig aus der Perspektive der Weißen erzählende Bilderfolge. Vor zwei Jahrzehnten beschlossen Don Kachongwas und weitere Dorfälteste aus Hotevilla, die bewegten Bilder zu nutzen, um für den Kampf um ihre Autonomie eine größere Öffentlichkeit zu gewinnen. Sie hofften auch, damit ihren Enkeln einen sinnlichen Eindruck ihres Lebens, Wissens und der Zeremonien zu überliefern. Doch die Kooperation mit weißen Filmteams scheiterte auf Grund unterschiedlicher Interessen. Kachongwas starb 1973.

Ende der sechziger Jahre begann Danaqyumptewa, ein Bauer, Priester und Politiker, mit einer Super-8-Kamera in Hotevilla Zeremonien und Widerstand zu dokumentieren. 1968 filmte er an dem Tag, an dem die Weißen eine Elektro- und Wasserleitung gegen den Willen vieler Hopis im Dorf verlegten und eine Frau beim Umsturz des ersten Strommastes verletzt wurde: Bilder der Ohnmacht von Menschen, die nur ihre psychische Existenz gegen Maschinen, bürokratische Macht und staatliche Gewalt einsetzen können. Die Aufnahmen Danaqyumptewas, der für die Hopis auch nach Genf zur UNO reiste, wurden Teil des Films, den er schließlich gemeinsam mit der Schweizer Malerin Agnes Barmettler und der jungen Regisseurin Anka Schmid verwirklichen konnte. Die Vorbereitungen dauerten drei Jahre. Angepaßt an Danaqyumptewas Lebensrhythmus auf den Maisfeldern und in den Zeremonien wurde ein Jahr lang gedreht. Zur Uraufführung im „Haus der Kulturen“ am 6. Juli ist Danaqyumptewa mit Tochter und Enkelin nach Berlin gekommen.

Mit Techqua Ikachi beginnt im „Haus der Kulturen“ ein Programm (Filme, Vorträge, Ausstellungen), dessen Titel, Indianische Kulturen im Wandel, verschleiert, daß hier der langsame Tod einer Kultur dokumentiert wird. Schon jetzt werden nicht mehr alle Zeremonien ausgeübt, die Danaqyumptewa noch filmen konnte.

Der Jahreskreis der Zeremonien teilt sich mir, der fremden Zuschauerin, allein in seinen visuellen Kulturen mit. Ich sehe, ob Schnee zwischen den flachen unverputzten Häusern liegt oder Trockenheit die Erde aufplatzen läßt. Ich sehe die Prächtigkeit der Bemalungen und des schweren Kopfschmucks der Hopis und den drängenden Rhythmus ihrer stampfenden Füße. Aber nicht vermitteln läßt sich die Erfahrung der spirituellen Energie, mit der sich die Tanzenden für ein Gleichgewicht in der Natur einsetzen. (Damit beschäftigen sich Marylin Harris und Orlan Tewa am 21. und 22. Juli.) Der Film versucht nicht, in die Zeremonien einzudringen und falsche Möglichkeiten ihrer Konservierbarkeit und Nachahmung zu suggerieren; zu verstehen bleiben die Zeremonien nur in der traurigen Erinnerung der Eingeweihten, für uns andere sind es bloß schöne Bilder.

Doch wichtiger ist dem Film die Lehre vom einfachen Leben und der Liebe zu allen Dingen, in der die Hopis ihren einzigen Weg zum Bewahren ihrer Kultur sehen. Die grünen Blätter des Mais werden strohig und hell. Zu farbigen Bergen schichten die Hopis die gelben, roten und blauschwarzen Kolben. Diesen auf den Zyklus von Saat und Ernte konzentrierten Bildern gelingt es, Glück im Leben der Hopis aufscheinen zu lassen. Jede Überschreitung dieses in seinen Bedürfnissen auf die eigene Produktion eingeschränkten Lebenskreises aber bedeutet - so lehrt die Hopis ihre Überlieferung, und ihre bittere Geschichte bestätigt dies Abhängigkeit und Entfremdung. Doch diese Überschreitung wird ihnen aufgezwungen. In der elementaren Beschränkung haben sie versucht, sich den Wertvorstellungen der Weißen zu entziehen. Die Alten erinnern an die Spaltung unter den Hopis in die von den Weißen sogenannten „Freundlichen“, die Schulen und Kirchen annahmen und als Machtinstrumente gegen ihr eigenes Volk gebrauchten, und in die „Rebellen“, die, aus ihrem angestammten Dorf vertrieben, Hotevilla gründeten und dort noch einmal die autonome Existenz versuchten, in der nicht für die Erfüllung der Grundbedürfnisse bezahlt werden muß. Aber um sie herum zog sich die Schlaufe des Besitzes zu. Land als Besitz und nicht als selbstverständlicher Teil der eigenen Existenz zu betrachten, auf den man so gut wie auf die Luft zum Atmen ein Recht hat, war für die Hopis eine so gewaltsame Erfahrung, als würde man ihnen jeden Tag Geld für das Blut in ihren Adern abverlangen.

In den Farben des Mais hat Agnes Barmettler Bilder gemalt, die die Legenden von der Herkunft der Hopis aus der Unterwelt und die Geschichte ihrer Versklavung illustrieren. Vor Danaqyumptewas Super-8-Kamera deutet Kachongwas die in Stein geritzten Prophezeiungen der Hopis. Es sind die Übereinstimmungen zwischen diesen Weissagungen und dem Verlauf der Geschichte, die die indianische Kultur für die ratiomüden Intellektuellen der Industrienationen zum Faszinosum machen. Die Hopis sahen die Atombomben von Hiroschima voraus (darüber hat der Japaner Kiyoshi Miyata den Film Hopi Prophecy gedreht, am 17./18./19. Juli im Programm), und sie können unsere Zeit als Sturz ins Chaos interpretieren (berühmt-berüchtigt durch Reggios „Koyaanisqatsi“). Ihr Wissen scheint sich gegenüber den trügerischen Verheißungen der Wissenschaft als Wahrheit zu behaupten. So ist unsere Betroffenheit über das Ende der indianischen Kulturen geprägt von der Angst um das Ende der eigenen Geschichte. In das Interesse an der Bewahrung der Reste ihrer Kultur mischt sich die Hoffnung, dort ein Heilmittel gegen die eigene Zerstörung zu entdecken. Techqua Ikachi mystifiziert die Hopis nicht zu Erlösern. Die alten Männer der Hopis, die ihre Geschichte erzählen, sind ihres Landes beraubt worden und haben ihre Gebete und Tänze verloren. Nichts kann ihnen diese Einheit wiedergeben.

Katrin Bettina Müller

Donnerstag, den 6.7. um 19 Uhr Ausstellungseröffnung: Hopi und Kachina, 20.30 Uhr Vorpremiere von Techqua Ikachi. Das Programm Indianische Kulturen im Wandel läuft bis zum 29.Juli. Eintritt zu den Filmen 5 Mark; Haus der Kulturen der Welt, John-Foster-Dulles-Allee 10.

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