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Proteste über Proteste gegen Müllverbrennung

27.000 Einwendungen gegen Augsburger Müllverbrennungsanlage / Eklat bei Anhörung: Hauptthema erst zum Schluß / Gegner stellen Strafanzeige / Rechtsstellung der Einwender wird verbessert / Erster Erfolg: Sicherheitsanalyse Pflicht  ■  Aus Augsburg Luitgard Koch

Die bayerische Staatsregierung setzt nach wie vor voll auf Müllverbrennung. Doch in der vergangenen Zeit häufen sich die Bürgerproteste dagegen. Ob im schwäbischen Neu-Ulm oder rund um den konservativ-katholischen Wallfahrtsort Altötting, die Bürger wollen sich nicht mehr ohne weiteres Luft und Boden verpesten lassen. Längst hat sich der Widerstand organisiert. 32 bayerische Müllinitiativen gründeten im Mai vergangenen Jahres im oberbayerischen Ingolstadt den Verein „Das bessere Müllkonzept“. Inzwischen hat der Dachverband 20.000 Mitglieder, die Zahl der Initiativen hat sich verdoppelt.

Über 27.000 Einwendungen gegen die geplante Müllverbrennungsanlage sammelten die „Müllofengegner“ innerhalb von sechs Wochen auch in der Fuggerstadt Augsburg. Den Bewohnern des Stadtteils Lechhausen und der angrenzenden Ortschaft Friedberg - dort soll das 436-Millionen-Projekt gebaut werden - „stinkt's gewaltig“. Besonders die Lechhauser fühlen sich verschaukelt. „Jeden Dreck kriegen wir“, schimpfen sie. Zwar gibt's kein Freibad in Augsburgs größtem Stadtteil, dafür stehen riesige Benzintanks nur knappe 150 Meter von den Siedlungen entfernt.

Seit einer Woche läuft das Anhörungsverfahren in der Augsburger Schwabenhalle. Ärger gab's bereits im Vorfeld. Dem Leiter des Augsburger Gesundheitsamtes, Professor Johannes Gostomsky, der als Sachverständiger dort auftreten sollte, wird von der SPD-regierten Stadt mit Rückendeckung der schwäbischen Regierung ein „Maulkorb“ verpaßt, sein Auftritt bei der Anhörung verboten. In einem Interview der örtlichen Tageszeitung hatte der Arzt auf Gesundheitsgefährdungen durch die Abgase aus der Müllverbrennung hingewiesen. Während die bayerische SPD generell der Müllverbrennung kritisch gegenübersteht, forcieren ihre Parteifreunde vor Ort den Augsburger „Müllofen“.

Schon am ersten Tag der Anhörung kommt es zu tumultartigen Szenen. Besonders die willkürliche Themenfestsetzung von Regierungsvertreter Jörg Schröder sorgt für Unmut. Erst ganz am Schluß soll das Thema, das allen auf den Nägeln brennt, nämlich die Auswirkungen der Anlage auf die Gesundheit, diskutiert werden. Der Münchner Rechtsanwalt Christoph Werner, der die Einwender vertritt, stellt daraufhin einen Befangenheitsantrag gegen Schröder. Dieser jedoch setzt sich nicht nur über den Antrag hinweg, sondern verweist den Anwalt gar eineinhalb Stunden des Saals. Vom Ausschluß ist auch der Vertreter der Müllinitiative, Franz Tschachau, betroffen. „Solche Sachen sind auch schon bei anderen Anhörungen passiert“, weiß der 33jährige Maschinenbautechniker.

Doch damit soll jetzt Schluß sein. Wegen Verdachts der vorsätzlichen Rechtsbeugung und Nötigung haben die Mitglieder der „Bürgeraktion Das bessere Müllkonzept“ zusammen mit der Kreisgruppe des Bund Naturschutz Strafanzeige gegen die schwäbischen Regierungsvertreter gestellt. Zur Beweissicherung fordern die Verbrennungsgegner die Beschlagnahme der Tonbandprotokolle. Die sowieso schon schwache Rechtsposition der Einwender soll zumindest einmal festgeschrieben werden. „Wir wollen endlich Klarheit haben“, betont Tschachau.

Doch die Gegner des Müllofens, in dem jährlich 180.000 Tonnen Müll verbrannt werden sollen, können schon einen Erfolg verbuchen. Erstmals in Bayern muß der Abfallzweckverband für die Augsburger Anlage eine Sicherheitsanalyse nach der Störfallverordnung vorlegen. In der Vergangenheit vertrat das bayerische Amt für Umweltschutz die Meinung, Müllverbrennungsanlagen fielen nicht darunter.

„Ich kann mir nicht vorstellen, daß in Zukunft in Bayern noch eine Anlage ohne Störfallanalyse genehmigt wird“, glaubt Tschachau. Er fragt sich, ob die Anlage überhaupt genehmigungsfähig ist. Grund: Die Untersuchungen über die Luftvorbelastung sind seiner Ansicht nach falsch. So wurde etwa die Stickoxidbelastung ebenso wie die Cadmiumwerte, die in Augsburg besonders hoch sind, nicht berücksichtigt. Freilich: um solche Projekte durchzusetzen, kennt die Regierung Möglichkeiten. Noch vor Ablauf des Planfeststellungsverfahrens wird die Dringlichkeit angeordnet und der vorzeitige Baubeginn durchgezogen, wie Anfang dieses Jahres im oberbayerischen Burgkirchen.

Wie sehr jedoch der bayerischen Staatsregierung Müllverbrennungsgegner verdächtig sind, konnte die grüne Landtagsabgeordnete Ulrike Windsperger erfahren. In einem Gespräch gab ihr Ministerialdirigent Buchner aus dem bayerischen Umweltministerium zu verstehen, daß die „Freunde aus dem Innenministerium“ schon ein Auge auf diese Gegner geworfen hätten. Das Dementi aus dem bayerischen Innenministerium konnte den Vorwurf der Bespitzelung kaum entkräften. „Voraussetzung für eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz wäre die Feststellung, daß solche Initiativen aus Extremisten bestehen oder von Extremisten maßgebend beeinflußt sind. Dies ist bei keiner der in Bayern tätigen Bürgerinitiativen gegen Müllbeseitigungsanlagen der Fall“, wußte Innenstaatssekretär Günther Beckstein (CSU). Tja - woher wohl?

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