: Die AL macht den zweiten Anlauf zur Vorstandswahl
■ Auf der letzten MVV konnten nur drei von sieben Vorständlern gewählt werden / Ökosozialisten und „Grüne Panther“ fielen durch und stellen sich erneut zur Wahl
Die Alternative Liste versucht morgen im zweiten Anlauf, einen Parteivorstand zu wählen. Nachdem die letzte Mitgliedervollversammlung vor drei Wochen mit einem Eklat geendet hatte - alle Kandidaten der „Grünen Panther“ zogen nach zwei Wahlgängen ihre Kandidatur zurück - richteten sich aller Augen hoffnungsvoll auf den 9.Juli. Doch so, wie sich die Kandidatenlage darstellt ist nicht unwahrscheinlich, daß auch diesmal die MVV zu Ende gehen wird ohne einen vollständigen Parteivorstand gewählt zu haben.
Auf gerade drei von sieben zu besetzenden Vorstandsposten hatten sich die Mitglieder am 18.Juni einigen können. Gewählt wurde Harald Wolf, Mitglied im Linken Forum und bereits im letzten GA. Wolf war Mitglied der Verhandlungskommission vor der Regierungsbildung, hat aber immer die Position des „Tolerierens“ vertreten. Die meisten Stimmen bekam Angelika Hirschmüller mit einem Votum des Friedensbereichs und aus der Bezirksgruppe Kreuzberg. Hirschmüller ist seit langem aktive Parteiarbeiterin und war als Vertreterin des Delegiertenrats ebenfalls in der Verhandlungskomission. Der Dritte ist Willi Brüggen, bisher im Delegiertenrat für Schöneberg und wie Wolf zum Linken Forum zählend. Alle weiteren StrömungskandidatInnen, sowohl die der Realos, der „Grünen Panther“, als auch die der Ökosozialisten, sind durchgefallen. Keine Mehrheiten fanden auch zwei ausländische Kandidaten.
Dieter Kunzelmann hatte seine alte Idee der „Denkpause“ versucht durchzusetzen. Der GA, so lautete der Vorschlag von ihm, der auch von der Anwältin Margarete von Galen, dem Neuköllner Jugendstadtrat Micha Wendt und der Fraktionärin Heidi Bischoff-Pflanz vertreten wurde, soll erst im September gewählt werden. Bis dahin müßte ein politisches Konzept dafür erarbeitet werden, wie die Partei in ihrer neuen Rolle als Regierungspartei weiterarbeiten soll. Doch das fand keine Mehrheit. Die etwa dreihundert anwesenden Mitglieder wählten, mit dem bekannten Ergebnis.
Wie es dazu kam, wird von den Strömungen unterschiedlich interpretiert. Die „Grünen Panther“ fühlen sich um ein stillschweigendes politisches Übereinkommen betrogen. Es sei immer klar diskutiert worden, daß der GA strömungspolitisch besetzt sein soll, sie hätten auch die Kandidaten des Linken Forums mitgewählt, seien aber umgekehrt von diesen nicht gewählt worden. Daß gerade die Kandidaten durchgefallen sind, die sich immer offen für die Koalition eingesetzt haben, erklären sie sich auch damit, daß ein großer Teil der 1.000 Mitglieder, die für die Koalition die Hände gehoben haben, jetzt wieder abgetaucht sind und ihre Wochenenden nicht auf MVVs verbringt. Die „Linken“ meinen, es habe an den Kandidaten gelegen, die die „Grünen Panther“ präsentiert hätten. Christine Döring, Volker Härtig und Peter Lohhaus seien eben in der AL nicht mehrheitsfähig. Die Ökosozialisten führen ihre Niederlage hauptsächlich darauf zurück, daß sie mit mehreren Kandidaten antraten.
Die Liste steht jetzt unter Druck. Denn die drei augenblicklich amtierenden Vorständler sind nicht beschluß und damit nicht arbeitsfähig. Doch ob nun die Kandidaten, die bislang zur Wahl stehen, durchkommen, scheint fraglich. Nur drei - zudem alles Männer - präsentieren sich am Sonntag den Mitgliedern. Für die Ökosozialisten Eberhard Mutscheller, bereits im letzten GA, und Peter Lohaus und Volker Härtig für die Gruppe der „Grünen Panther“. Weiterhin kein Interesse am Vorstand haben Kunzelmann und Co, der „Rixdorfer Salon“, wie sie sich selbst nennen oder „Aufschub '89“, wie andere spötteln, steht, sollte am Sonntag wieder kein GA zustande kommen, frühestens im Herbst zur Wahl zur Verfügung.
In der Liste hat sich zwar inzwischen die Einsicht durchgesetzt, daß in der derzeitigen politischen Situation alle Parteiströmungen im Vorstand vertreten sein müssen. Die Ökosozialisten haben sogar öffentlich erklärt, daß sie einen Kandidaten der „Panther“ mitwählen würden. Doch die Einschätzung, welche Aufgabe ein Parteivorstand der Alternativen Liste als Regierungspartei hat, gehen weit auseinander. Links außen bewegt sich Kunzelmann und der „Rixdorfer Salon“. Der Vorstand habe die Aufgabe, die Partei zu „revolutionieren“, sagt der ehemalige Aktionspolitologe, und die „domestizierte Fraktion“ auf Vordermann bringen. Die „Panther“ werfen der Liste vor, nach kaum 100 Tagen rot-grün wieder auf Oppositionskurs zu gehen. Ihre Vorstellung heißt: raus aus den alternativen Kreisen und den politischen Diskurs um die Themen aller Menschen in der Stadt aufnehmen. (siehe nebenstehende Dokumentation). Für die Ökosozialisten sind die Kompromisse, die die Alternative Liste bisher in der Koalition gemacht hat an der Grenze des Erträglichen. In ihrer Bilanz zu 100 Tage rot-grün machen sie deutlich, daß sie das bisherige als „Kosmetik“ betrachten, die AL aber „radikale Reformpolitik“ treiben soll. Die Entscheidungen stünden an, bei der Stromtrasse, beim Hahn-Meitner-Institut. Wenn die Einstiegslogik in eine ökologisch-soziale Umgestaltung der Stadt nicht gelinge, so kündigen sie an, würden sie eine „Ausstiegslogik“ aus der die Partei gefährdenden Koalition vorlegen. Dieses Bewußtsein über die Gefährdung der Partei scheine vielen abzugehen, kritisieren die Ökosozialisten. Rot-grün wollen sie auf „Sparflamme kochen“. Im GA würden sie mit allen vertretenen Strömungen „so weit als möglich“ konstruktiv zusammenarbeiten. Das gerade schließe eine harte Kritik ein.
bf
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