Berliner REPs auf Koalitionskurs mit der CDU

Am Abend des 29.Januar feierten rund 300 Mitglieder der Berliner „Republikaner“ auf einem Dampfer - Räume an Land waren nicht zu bekommen - ihren unverhofften Sieg. Die Stimmung war ausgelassen, schnell machte der Spruch vom „Wunder an der Spree“ die Runde. Parteichef Schönhuber, der wegen des unerwartet guten Abschneidens seiner Statthalter in die ehemalige Reichshauptstadt gejettet war, freute sich mit dem Berliner Parteivorsitzenden Andres über „die vielen jungen Leute“, die mit ihm über den Wannsee tuckerten, und begeisterte sich an den „hübschen Mädchen“, die dem Berliner Landesverband angehörten. Damit war vor allem eine gemeint: Alexandra Kliche, 19 Jahre, stellvertretende Landesvorsitzende der REPs.

Heute ist den mittlerweile über 2.000 Mitgliedern der REPs gar nicht mehr nach Dampferfahrten zumute. Wahrscheinlicher ist, daß viele der insgesamt 393 Parteitagsdelegierten heute auf ihrem ersten großen Auftritt nach der Wahl Dampf ablassen werden. Gründe gibt es zuhauf: Alexandra Kliche und einige der „talentierten jungen Männer“ haben die Partei wegen interner Affären inzwischen mit großem öffentlichen Trara verlassen und fühlen sich wieder bei der CDU zu Hause. Auf Bezirksebene bekämpfen sich um Posten buhlende Mitglieder, bis die gefüllten Biergläser durch den Versammlungssaal fliegen, der amtierende Landesvorsitzende Bernhard Andres steht im Verdacht, einen Parteifreund „schmerzhaft in den Polizeigriff genommen“ und vor die Tür gesetzt, und für die Partei bestimmte Kreditgelder in die eigene Tasche gewirtschaftet zu haben - in beiden Fällen ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Die „blütenreine Weste“ (Wahlkampfspruch) der Berliner REPs ist, nach nur vier Monaten Parlamentsarbeit, mit Schmutzflecken übersäht. Und auch der Alltag im Abgeordnetenhaus scheint den rechtsradikalen Volksvertretern nicht ganz leicht zu fallen. Bis auf Carsten Pagel, einen 26jährigen Politprofi mit mehrjähriger Schulung in der Berliner CDU, hat keiner der REP-Abgeordneten Parlamentserfahrung. Da werden parlamentarische Anfragen gestellt, die das Prinzip der Gewaltenteilung mißachten, die Beiträge der Abgeordneten in den parlamentarischen Ausschüssen erinnern mehr an Heinrich Lübke denn an ernsthafte Sachauseinandersetzungen, und wenn der bis vor einer Woche amtierende Fraktionsvorsitzende Bernhard Andres in die Bütt geht, halten sich selbst Parteifreunde, die die Debatte am Fernseher verfolgen, die Ohren zu.

Andres, der über alles sich zu reden traut, niemals aber über drei Minuten faselt, beendet seine Beiträge selten, ohne ein Ausrufezeichen zu setzen: „Es lebe die Polizei!“ oder „Es lebe die Feuerwehr!“ sind nur zwei Beispiele seines umfangreichen rhetorischen Repertoires.

Wohl nicht in erster Linie wegen der „hausgemachten Affären“ (O-Ton Pagel), sondern eher wegen der mangelhaften PR-Tauglichkeit des gelernten Verkehrspolizisten steht Andres denn auch auf der Abschußliste. Schon in der vergangenen Woche trat der Enddreißiger von seinem Amt als Fraktionsvorsitzender zurück. Sein Gegenspieler Carsten Pagel will ihm auf dem heutigen Landesparteitag auch noch den Landesvorsitz abjagen. Wie tief der Riß zwischen beiden mittlerweile ist, zeigte sich auf einer Pressekonferenz in dieser Woche, als sich Andres wegen der Vorwürfe gegen seine Person der Journaille stellte. Pressesprecher Pagel und der bisherige Landesschatzmeister Voss ließen ihren Parteivorgesetzten hängen, indem sie gar nicht erst erschienen. Andres dazu: „Die sind aus privaten und persönlichen Gründen nicht gekommen.“ Die andere Seite konterte auf Anfrage: „Das ist keine Pressekonferenz der Republikaner, sondern eine von Andres.“

Vieles spricht dafür, daß Pagel sich heute gegen Andres durchsetzen kann. Für den 38jährigen Polizisten sprechen eigentlich nur noch der „Gründungsbonus“ und die Tatsache, daß Andres den Parteivorsitz in schwierigen, fast hoffnungslosen Zeiten übernahm. Pagel repräsentiert den dynamischen Jungpolitikertypus, dem solche Patzer wie Andres nie unterlaufen würden. Auch solche auf die AL gemünzten Kraftausdrücke wie „Grünfaschisten“ (O-Ton Andres) werden dem Jura-Studenten, der vom rechten Flügel der Berliner CDU kam und die drei blauen Bände von Karl Marx zu Hause im Regal stehen hat, nicht über die Lippen kommen. Ob Pagel nicht trotzdem genauso auch so harsch über die Alternativen denkt, ist freilich eine andere Frage.

Parteiintern hat sich Pagel mittlerweile über eine Riege ehemaliger Jungunionisten und Christdemokraten abgesichert. So steht ihm beim REP-Gerangel beispielsweise der ehemalige stellvertretende Landesvorsitzende der Jungen Union zur Seite, der kurz nach den Wahlen „rübermachte“. Andres fühlt sich praktisch umzingelt von „einer Riege ehemaliger CDU -Mitglieder“, die die Partei in den Griff zu bekommen versuchen.

Was auf den ersten Blick wie purer Seilschaftskampf erscheint, hat für die bündnispolitischen Entwicklungen der neunziger Jahre durchaus politische Relevanz. Falls Pagel heute das Rennen machen sollte, würde nicht nur vielen gemäßigteren REPs ein Stein vom Herzen fallen. Auch der rechte Flügel der Berliner CDU verfolgt sehr interessiert, wer auf dem Parteitag auf der Strecke bleibt. Denn Pagel, der 1987 nach einem Machtgerangel die Union verließ, ist noch heute mit vielen Christdemokraten per du. Selbst in die CSU hinein unterhält er freundschaftliche Kontakte. „Mit Pagel an der Spitze wäre das hier alles weniger kompliziert“, gibt denn auch ein Berliner CDU-Funktionär zu

-und spricht aus, was viele denken.

Um Pagels Aufstieg zu stoppen, hat Andres sich „eine Sauerei“ (O-Ton REP-Funktionär) einfallen lassen. In einem Antrag wird gefordert, daß Parteivorsitzende mindestens 28 Jahre alt sein müssen. Pagel zählt erst 26 Lenze. Schon die Abstimmung über diese Frage dürfte daher die Entscheidung bringen.

Claus Christian Malzahn