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Walesa und Jaruzelski: US-Hilfe zu gering

■ US-Präsident Bush redet mit Solidarnosc-Führer in Danzig / Moralische Durchhalteparolen statt der benötigten Milliarden / Bush ab heute in Ungarn

Danzig (afp/taz) - Der amerikanische Präsident George Bush hat in einer Rede am Geburtsort der unabhängigen Gewerkschaft Solidarität das polnische Volk zu weiteren Opfern bei der Sanierung der zerrütteten Wirtschaft aufgerufen. Geduld und Entschlossenheit seien erforderlich, meinte Bush gestern auf dem Platz vor der Leninwerft vor 25.000 Menschen. „Aber den Polen ist harte Arbeit nicht fremd, und sie haben der Welt Lektionen in Sachen Entschlossenheit erteilt“, rief er der Menge zu.

Mit solchen und anderen moralischen Apellen versuchte Bush vergeblich die Enttäuschung zu überspielen, die die polnische Öffentlichkeit gestern angesichts der mageren Zusagen von US-Finanzhilfen beherrschte. Sowohl Regierungsvertreter als auch Solidarnosc-Führer hatten daraus keinen Hehl gemacht. In einem Kommentar der Oppositionszeitung 'Gazeta Wyborcza‘ heißt es, daß viele Polen über Bushs FÜnfpunkteprogramm enttäuscht seien, und: „In dem Plan ist die Rede von Millionen, aber wir brauchen Milliarden.“ Zwar wollte der US-Präsidenten den Vorsitzenden der oppositionellen Gewerkschaft Solidarität, Lech Walesa, davon überzeugen, daß die Vereinigten Staaten derzeit nicht mehr tun können, um die enormen Wirtschaftsprobleme Polens zu beseitigen. Das hinderte den Solidaritäts-Chef aber nicht daran, öffentlich festzustellen, daß er sich eine größere Dollarinfusion gewünscht hätte. Die Visite bei Walesa war der erste Besuch eines ausländischen Staatschefs und zugleich eine Würdigung des jahrelangen Kampfes von Solidarnosc, die in den letzten Monaten zur offiziell anerkannten Oppositionskraft aufstieg, ja sogar inzwischen ideologisch dominiert in der polnischen Politik.

Kurz vor der Weiterreise nach Ungarn nahm Bush noch an einer Gedenkzeremonie am Mahnmal der Drei Kreuze vor dem Haupteingang der Leninwerft teil. An dem Denkmal, das an die Arbeiter erinnert, die bei der Niederschlagung des Aufstands von 1970 getötet worden waren, legte er Blumen nieder. Immer wieder versuchte er zu verdeutlichen, daß seine Visite in erster Linie symbolischen Charakter habe, zu Reformen ermuntern solle. Sicherheitsberater Brent Scowcroft unterstrich: „Die Polen haben ein hartes Stück Arbeit vor sich, das sie selbst erledigen müssen“, die amerikanische Direkthilfe solle vor allem „symbolisch unsere Unterstützung für das ausdrücken, was die Polen auf den Weg bringen“. Letzter Programmpunkt in Polen bildete die Kranzniederlegung, auf der Westerplatte, wo beim Überfall der Deutschen Wehrmacht auf Polen am 1.September vor 50 Jahren die ersten Schüsse des Zweiten Weltkriegs gefallen waren. Siehe Seiten 7, 8 und 9

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