: „Stasi-Methoden“ bei Wertkauf
■ HBV stellt Strafanzeige gegen die Geschäftsleitun des Großmarktes
Wegen Anstiftung zur Körperverletzung und Nötigung in mehreren Fällen prüft die Gewerkschaft HBV derzeit, gegen die Geschäftsleitung der Firma Wertkauf Strafanzeige zu erstatten. Bei den Wertkauf-Streiks vor einer Woche hatten Geschäftsführer und Verwaltungsleiter der Filiale in der Neustadt selbst mit Hand angelegt, um Kunden und Angestellte an die angestammten Plätze zu verfrachten. „Was bei Wertkauf passiert ist, erinnert fatal an autoritäre Staaten“ faßte Helmut Thiel, Geschäftsführer der HBV, seine Erlebnisse der zwei Streiktage zusammen.
Der Wertkauf-Geschäftsführung wirft er einen ganzen Katalog von Verfehlungen vor. Sie sei „ohne Rücksichtnahme und mit Vorsatz auf stehende Streikposten zugefahren“ und habe Kunden per Megaphon aufgefordert, sich mit dem Wagen einen Weg durch die Streikenden zu bahnen. Provokateure seien bewußt eingesetzt worden, sagt Thiel und
wirft der Führungstroika vor, „mit Stasi-Methoden MitarbeiterInnen gegen ihren erklärten Willen gefilmt zu haben“. Belegschaftsmitglieder und Kunden, die Zeugen dieses Geschehens gewesen sind, gibt es nach Auskunft der Gewerkschaft viele.
Welch immenses Interesse Wertkauf an der Verhinderung des Streiks hatte, belegen nicht nur die zahlreichen Einschüchterungsversuche während der Urabstimmung. Auch die eher skurilen Bemühungen, Streikbrecher einzuschleusen, zeigen, wes Geistes Unkind hier Geschäftspolitik macht. Sechs Revisoren aus der Hauptverwaltung in Karlsruhe wurden mit der firmeneigenen dreistrahligen Cessna eingeflogen, um an Kassen zu landen, die sie nicht beherrschten. Mit firmeneigenen Mietwagen, die für den Personenverkehr gar nicht zugelassen sind, karrte Wertkauf arbeitswillige Belegschaftsmitglieder durch die Streikenden aufs Gelände.
Angesichts dieser „John-Way ne-Verschnitt-Typen“ (Thiel) und der jetzt anlaufenden Repressalien gegen die MitarbeiterInnen, die gestreikt haben, richtete der HBV-Vorsitzende Kröger an die Verbraucher die Aufforderung, ihre „Kaufentscheidungen zu überprüfen“. Die genannten Vorfälle sind beileibe keine Einzelfälle. Allein in den letzten zwei Jahren hat Wertkauf vor dem Amtsgericht Bremen 20 bis 30 Beschlußverfahren verloren, mit denen der Betriebsrat die elementarsten Rechte erst einklagen mußte.
Auch der Senat sei nun aufgefordert, Position zu beziehen, erklärten die Gewerkschaftler, schließlich „sind bei der Ansiedlung von Wertkauf erhebliche öffentliche Mittel geflossen“. Daß sie da guten Mutes sind, sagte Helmut Thiel: „Ich erwarte von meinem Kollegen, der gleichzeitig Bürgermeister und Arbeitssenator ist, daß er das politisch genauso sieht wie wir.“
anh
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