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Gewerkschaftskrach zwischen HBV und DAG

■ Einzelhandelsgewerkschaften werfen sich wechselseitig Streikbruch vor / DAG-Tarifkommissionsmitglied führte „Doppeleben“

Pünktlich zur entscheidenden Runde in den Tarifverhandlungen des Bremer Einzelhandels haben sich die beiden Arbeitnehmer -Organisationen HBV und DAG völlig verkracht. Während im Schütting gestern ab 13 Uhr die Gespräche mit den Arbeitgebern über eine endgültige Feierabendregelung weiterliefen, bezichtigten sich die beiden Gewerkschaftsorganisationen wechselseitig und öffentlich des Streikbruchs. Während im Schütting die Arbeitgeber nur noch in getrennten Sitzungen mit den beiden feindlichen Gewerkschaftsbrüdern sprachen - gemeinsame Verhandlungen hatte die HBV erstmals in der gesamten Geschichte der Tarifauseindersetzungen ablehnt - wurden in den jeweiligen Gewerkschaftszentralen am Wall (DAG) und am Bahnhofsplatz (HBV) einstweilige Verfügungen gegen die jeweilige Konkurrenz-Organisation vorbereitet, juristische Schutzschriften verfaßt und Li

sten mit StreikbrecherInnen zusammengestellt. Auf Hochtouren fahndete die DAG nach HBV-„Verrätern“, während die HBV gleichzeitig nach Streikbrechern in DAG-Reihen suchte.

Insgesamt 15 eidesstattliche Erklärungen sammelte die HBV gestern bei ihren Mitgliedern ein. Übereinstimmend versichern die Unterzeichner darin, daß zumindest fünf DAG -Mitglieder bei Karstadt gearbeitet haben, während ihre Kollegen draußen Streikposten standen. Besonders peinlich für die DAG: Wenigstens einer der Betroffenen, ein Karstadt -Abteilungsleiter in der Fleischabteilung, ist gleichzeitig Mitglied der DAG-Tarifkommission. Mehrere Zeugen wollen den DAG-Funktionär beobachtet haben, als er am letzten Streik -Montag zur Arbeit eilte und auch weitere Mitarbeiter unter Arbeits-Druck setzte. Nachdem sein „Doppelleben“ aufgeflogen war, legte der Karstädter Frisch

fleisch-Chef gestern sein Verhandlungsmandat mit sofortiger Wirkung nieder.

DAG-Verhandlungsführer Werner Dlugaiczyk reagierte gestern ausgesprochen „angefaßt“ auf das schwarze Schaf in den DAG -Reihen. Dlugaiczyk: „Wir können so etwas natürlich weder billigen noch decken.“

Gleichwohl ließ der DAG-Verhandlungsführer gestern eine einstweilige Verfügung vorbereiten, mit der dem HBV -Vorsitzenden Hans-Jürgen Kröger „bei Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 500.000 Mark, ersatzweise Ordnungshaft“ die Behauptung untersagt werden soll, ein Mitglied der DAG-Verhandlungskommission habe sich „als Kunde getarnt ins Kaufhaus geschlichen und dann bedient“. Entsprechende eidesstattliche Versicherungen hatte sich die DAG-Führung zuvor von allen 12 Mitgliedern ihrer Tarifkommission besorgt. Feinsinnige Unterschei

dung der DAG-Sprachregler: Der DAG-Mann sei zwar an die Kaufhaus-Arbeit gegangen, habe sich dazu aber weder als Kunde getarnt noch Kunden bedient. Als Abteilungsleiter habe er „nur“ in seinem Büro gesessen.

Gleichzeitig ließ die DAG die Retourkutsche fahren: Auch HBV-Mitglieder seien an Streiktagen bei der Arbeit erwischt worden. Stimmt, räumte HBV-Vorsitzender Hans-Jürgen Kröger gestern ein. Unterschied zu den DAG-Streikbrechern: Bei den schwarzen Schafen der HBV handele es sich aber nicht um Funktionäre, und zweitens seien sie die längste Zeit HBV -Mitglieder gewesen. Schon am kommenden Mittwoch will die HBV fünf namentlich bekannte StreikbrecherInnen rausschmeißen.

Auch den von der DAG beantragten Maulkorb will Kröger sich nicht verpassen lassen. In einer vorsorglich beim Bremer Amtsgericht hinterlegten Schutz

schrift für den HBV-Vorsit zenden heißt es dazu: „Die Behauptung (, daß DAG-Mitglieder sich als Streikbrecher betätigt haben) kann nicht untersagt werden, da sie zutreffend ist.“

Während die DAG in einem Nebenzimmer warten mußte, bahnte sich derweil ein Durchbruch in den Gesprächen zwischen HBV und Arbeitgebern an. Das Ergebnis stand bei Redaktionsschluß zwar noch nicht fest, Beobachter gingen aber davon aus, daß auch in dem neuen VerhandlungspapierFeierabend 18.30 Uhr festgeschrieben würde, solange die Existenz eines Geschäfts nicht akut bedroht sei. Ein HBV-Sprecher gestern: „Die entsprechende Protokollnotiz werden wir uns keinesfalls wieder abhandeln lassen.“ Exakt dies hatte die Konkurrenz von der DAG der HBV kürzlich am Donnerstag unterstellt und damit den Grundstein zu dem Gewerkschaftshickhack gelegt.

K.S.

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