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Gegenoffensive zu Berlins Asylpolitik

Massive Kritik von Wohlfahrtsverbänden und Bürgerrechtsorganisationen an der Asylkampagne der Berliner CDU / Verband der Bewährungshelfer begrüßt Neuregelung des rot-grünen Senats  ■  Aus Berlin Andrea Böhm

Wenige Tage vor der Sondersitzung des Berliner Abgeordnetenhauses zur Asylpolitik des Senats übten Vertreter von Wohlfahrtsverbänden, Kirchen und Menschenrechtsorganisationen erneut scharfe Kritik an der CDU-Kampagne gegen die aufenthaltsrechtliche Verbesserung für Flüchtlinge. Die Humanistische Union warf der Berliner CDU vor, vordergründige Parteiinteressen auf dem Rücken von Menschen auszutragen. An die Adresse von Bundesinnenminister Schäuble erging die Aufforderung, nicht mehr „wider besseres Wissen diesen Unsinn von der verlassenen Rechtseinheitlichkeit zu verbreiten“. Schäuble hatte Berlins Innensenator Pätzold bezichtigt, mit seiner Weisung zur aufenthaltsrechtlichen Verbesserung für Flüchtlinge die Rechtseinheit mit dem Bund verletzt zu haben.

Ähnliche Schelte mußte seinerzeit schon CDU-Innensenator Wilhelm Kewenig vom damaligen Bundesinnenminister Zimmermann einstecken. Kewenig hatte im Oktober 1987 eine „Altfallregelung“ erlassen, die bestimmten Flüchtlingen ohne Rückkehrmöglichkeit eine Aufenthaltserlaubnis garantierte. Im übrigen hindere niemand die anderen Bundesländer daran, die Berliner Weisung zu übernehmen und „so die Rechtseinheit herzustellen“, erklärte Traudl Vorbrodt, Vertreterin von Pax Christi.

Auf rund 3.500 bis 4.000 Menschen schätzen Wohlfahrtsverbände und Bürgerrechtsorganisationen die Zahl der Flüchtlinge, die nach der Weisung des Berliner Innensenats vom 20.Juni nun eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, weil sie nicht in ihre Heimatländer Libanon, Sri Lanka, Afghanistan, Iran und Äthiopien abgeschoben werden können. Ihre Abschiebung wurde bislang nur in Form einer kurzfristigen „Duldung“ ausgesetzt. Sie durften nicht arbeiten und Berlin nicht verlassen.

Zum Reizthema „Duldung für ehemalige Straftäter“ hat sich nun auch die „Arbeitsgemeinschaft Deutscher Bewährungshelfer“ zu Wort gemeldet. Sie begrüßte die Neuregelung des Berliner Senats - ebenso wie die Vereinigung Berliner Strafverteidiger und die Pfarrer der Berliner Vollzugsanstalten. CDU und „Republikaner“ hatten sich mit besonderer Vehemenz auf diesen Teil der Weisung gestürzt und unter anderem Berlin als künftiges „Mekka für ausländische Straftäter“ bezeichnet. Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Bewährungshelfer sieht in der Neuregelung dagegen einen entscheidenden Fortschritt für diejenigen straffälligen Flüchtlinge, die bislang nach ihrer Entlassung zwar zur Ausreise aufgefordert waren, aber aufgrund der Situation in ihrem Heimatland nicht abgeschoben werden durften. Ihnen blieb lediglich eine einwöchige bis dreimonatige Duldung und nach der Erfahrung von Flüchtlingsorganisationen oft nur das Abtauchen in den Untergrund. Ergo werde die Kriminalität dieser Menschen durch die Neuregelung eher gestoppt als gefördert, argumentierte der Ausländerbeauftragte der Evangelischen Kirche in Berlin, Hanns Thomä-Venske.

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