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„Die Chop-Suey-Gang“ - Tatort Bremen, 2.Teil

■ Der taz-Sommerkrimi in 32 Folgen / Aus einem Roman von Jürgen Alberts

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Wolfgang Lindow räkelte sich gemütlich in seinem Bürostuhl. Er war stolz auf die Urkunde, die man ihm überreicht hatte, auch wenn sie vom deutschen Philatelistenverband und nicht aus dem Polizeipräsidium kam.

Der Hauptkommissar ließ sie den jungen Kollegen ausführlich studieren. „Ehrenurkunde“ stand da in schwungvollen Lettern auf dem weißlichen Karton.

„Für besondere Verdienste verleihen wir Kriminalhauptkommissar“, und dann der Name, in

königsblauen Buchstaben, gesperrt geschrieben, „den Titel: Sammler ehrenhalber“.

Seit Lindow sich mit Sammeln von Briefmarken mit Polizeimotiven beschäftigte, hatte er neben der Tätigkeit im Wirtschaftsressort ein zweites Berufsfeld gefunden, das ihm diese Urkunde eintrug.

Er war der einzige Sammler in der Bundesrebublik, der mit diesem Spezialgebiet aufwarten konnte. Schon hatten sich alle einschlägigen Zeitschriften mit ihm befaßt, oft erschienen Artikel mit seinem Bild und natürlich farbigen Abbildungen der schönsten Stücke seiner Sammlung. Wichtigster Wert war eine Briefmarke aus Südafrika, die zeigte, wie die weiße Polizei gegen schwarze Demonstranten vorging. Mit Handgranaten, deutlich zu erkennen.

„Sammler ehrenhalber“, sagte Lindow gedehnt, „kein schlechter Titel, was meinst du, Joe?“

Davids war froh, daß die Urkunde ihm Zeit verschaffte, nochmal über seinen Plan nachzudenken. In seinem Kopf war Tumult. Er hatte Xiao Chen versprechen

müssen, mit niemandem und schon garnicht im Polizeipräsidium darüber zu reden, was er mitangesehen hatte. Schutzgelderpressung, räuberische Erpressung, er kannte die Straftatbestände, aber der Chinese war sein Freund. Wenn er jetzt Lindow einweihte, dann mußte er sehr vorsichtig sein.

„Was meint Lang dazu?“ fragte Davids mit einem Lächeln auf den Lippen.

„Unser Kriminaldirektor ist natürlich mächtig stolz, einen so verdienten Beamten, hat er gesagt, und auf einem so ungewöhnlichen Gebiet. Er hat seinen Pressemenschen angewiesen, noch eine Extra-Meldung über mich herauszugeben.“

Wolfgang Lindow grinste. Erst jetzt bemerkte Davids, daß der ganze Rummel um die Briefmarkensammlerei den doppelt so alten Kollegen eher amüsierte. „Briefmarken, das sind Kunstwerke des kleinen Mannes, hab‘ ich mal formuliert, und da ist auch was dran“, sagte Lindow, jetzt lachte er.

Davids wollte das Büro schon

wieder verlassen, nachdem er die Urkunde vorsichtig auf den Schreibtisch zurückgelegt hatte, als Lindow sagte: „Du bist doch nicht wegen diesem lächerlichem Stück Papier hergekommen, Joe. Oder irre ich mich da?“

„Nein, nein“, platzte Davids heraus, „ich wollte mit dir mal...“

„Laß hören, beruflich oder privat?“

Lindow setzte sich gerade, aufmerksam, fast eine Spur zu ernst.

„Gehört eigentlich Schutzgelderpressung in dein Ressort?“

Ihm war nichts anderes eingefallen, und er konnte den Satz auch nicht ungesagt machen. Davids war verstört. Genau diese Situation hatte er vermeiden wollen. Aber die blöde Urkunde hatte sein Konzept durcheinandergebracht.

„Weiß ich garnicht. Wieso fragst du?“ Lindow kratzte sich am Kopf.

„Nur so. Ich hab‘ da was läuten hören...“

Joe Davids stand wie ein Schuljunge vor dem Schreibtisch, in Erwartung der gerechten Bestrafung.

„Schutzgelderpressung. Ich

kenne gar keinen Fall. In unserer Stadt?“

„Nein, nein“, wiegelte Davids ab, der krampfhaft überlegte, wie er aus diesem Raum hinauskam.

„Joe, mir fehlt für Rätselspiele die Zeit. Was weißt du, oder was hast du läuten gehört?“

„Ich wollte mich mal erkundigen, weiß zu wenig, um damit etwas anfangen zu können.“

Wolfgang Lindow schüttelte den Kopf. „Organisiertes Verbrechen, davon reden die vom BKA gelegentlich. Aber eigentlich ist das mehr Italien, Mafia und so. Soll in Hamburg mal einen Fall gegeben haben, mit Restaurants, ach ja, da wollte einer sogar auspacken vor Gericht, aber dann hat er während der Verhandlung gekniffen. Ganz schwieriges Pflaster. Und für uns ist meistens auch nichts drin.“

„Wieso?“ unterbrach ihn Davids, der froh war, daß Lindow seine Nachfragen eingestellt hatte.

„Die halten die Klappe, ganz einfach. Wo kein Kläger... zahlen lieber, ist doch klar. Keiner weiß was, keiner hat was gesehen, keiner redet. Wo sollen wir da ein

greifen?“

„Ich verstehe“. Der Oberkommissar nickte verständnisvoll. Was für ein modernes Büro Lindow hatte im Gegensatz zum altmodischen Mobiliar der Mordkommission. Und dabei war er damals strafversetzt worden.

„Ach ja, Wuppertal, da ist so eine Bande am Werk gewesen, ich glaub letztes Jahr, oder schon '78 war das, fünfzig Mann soll'n das gewesen sein, jugoslawisch-italienische Zusammenarbeit, überregional organisiert, die flogen mal einen Killer ein, der nach der Tat sofort das Land wieder verließ. Es ging um räuberische Erpressung.“

Joe Davids zog an seiner blaßblauen Krawatte. Ihm war klar, daß er keine weitere Frage stellen würde, sonst müßte er alles verraten, und er hatte Xiao Chen versprochen, nichts zu sagen.

„So, nun hab‘ ich mein Gedächtnis befragt, jetzt bist du dran, also komm‘ Joe, es gibt doch einen Grund für dein spezielles Interesse, oder?“ Fortsetzung folgt morgen

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