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„Die Chop-Suey-Gang“ - Tatort Bremen, 3.Teil

■ Der taz-Sommerkrimi in 32 Folgen / aus einem Roman von Jürgen Alberts

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Danke.

Den ganzen Tag hatte sich Davids mit dem Mordfall Scholz befassen müssen, dreihundert Spurenhinweise und nicht ein brauchbarer Anknüpfungspunkt. Ein Mann war in seinem Auto ermordet worden, der Wagen abgeschlossen, keine Spuren von gewaltsamem Eindringen, der Schlüssel steckte im Zündschloß, der Obduktionsbefund ließ auf Vergiftung schließen. Der Wagen stand in der Innenstadt.

Als hätte ihm diese schwierige

Aufgabe nicht gereicht, bekam er nachmittags um drei, kurz vor Dienstende, den Auftrag bei einer Durchsuchung im Viertel anwesend zu sein. Er hatte um 22 Uhr anzutreten.

Joe Davids war sauer. Nicht so sehr, weil er Xiao Chen absagen mußte, sondern weil diese Doppelschichten zunahmen.

„Was soll ich denn dabei, wenn ihr Razzia fahrt?“ hatte er nachgefragt.

„Man kann nie wissen“, kam die knappe Antwort. Davids wußte, daß der Landeskriminalrat hinter diesen, “ Überraschungseinsätzen“ stand. Denn seine Kampagne „Dealer sind Mörder“ war auf Kritik gestoßen, sogar in den eigenen Reihen. Jetzt hoffte er, durch Großeinsätze ein paar von diesen Herrschaften zu fangen.

Kurz vor 22 Uhr stand er auf dem Ostertorsteinweg zusammen mit fünfundsiebzig Beamten, direkt neben dem Wagen des Einsatzleiters, in dem auch der Landeskriminalrat saß, verdeckt von einer kleinen Gardine.

„Rapka, Kuhlebert, sperren sie die Hinterfront ab. Und wehe, wenn da jemand rauskommt! Und dann ein bißchen plötzlich.“

Der Einsatzleiter gab seine Befehle so laut, daß die ganze Straße mithören konnte.

Die beiden Streifenwagenpolizisten setzten sich in Trab, langsam, als hätten sie die Anweisungen nicht gehört. Der dicke Rapka griff sicherheitshalber noch mal zur Pistole, sie saß stramm an der Koppel.

Der hochaufgeschossene Kuhlebert sah stur geradeaus.

Sie schlenderten um den Häuserblock, nahmen den Durchgang einer Passage und stellten sich auf.

„Kommt doch sowieso keiner“, sagte Rapka, „ich würd‘ gern wissen, wie so ein Laden von innen aussieht.“

„Geh doch rein!“ erwiderte Kuhlebert, der mit seinen zwanzig Jahren zwar diesen Teil der Stadt nicht mochte, aber gelegentlich mal so einen Schuppen betrat.

„Biste verrückt, als Polizist“, Rapka schüttelte den Kopf.

„Ja mit gezogener Pistole, Hände hoch, alles an die Wand, und dann

sich mal ganz ruhig umsehen.“

Kuhlebert wußte, was er an seinem Kollegen hatte: den altmodischsten Gesprächspartner, den ihr Revier bieten konnte. Und planmäßig fuhr Rapka aus der Haut, er solle diesen Quatsch lassen, schließlich seien sie im Dienst.

Joe Davids vertrat sich die Füße. Er stand rum. Blickte in die Straße, während im Lokal ein mächtiges Gezeter losging.

„Was soll ich denn tun?“ fragte er den Einsatzleiter.

„Abwarten“, gab der zurück, „stören sie jetzt nicht. Ich hänge am Kabel“, über Kopfhörer hatte er Verbindung mit einem Polizisten, der aus dem Lokal einen Lagebericht gab.

Joe Davids steckte seinen Kopf in den Eisatzwagen. Der Landeskriminalrat legte den Finger auf den Mund und grinste ein wenig. Auch er hörte mit. Es hatte etwas von einem Indianerspiel mit elektronischem Gerät, zwei hochbesoldete Männer auf der Lauer.

Ein Polizist riß die eichene Lokaltür auf: „Drei Mann sind durch

den Hintereingang verschwunden.“

Sofort sprach der Einsatzleiter Rapka an. „Bitte kommen.“

„Ja, Rapka.“

„Melden sie sich das nächste Mal anständig, Kollege. Haben sie die Männer gesehen, die durch den Hintereingang entwischen wollen?“

„Hier ist alles ganz ruhig“, erwiderte Rapka.

„Das kann doch nicht sein!“

„Kommen sie her, und überzeugen sie sich selbst.“

Der Einsatzleiter schickte Davids los: „Tempo, Mann, das sind die Gesuchten, bestimmt!“

Joe Davids lief los, wenigstens eine Bestätigung bei diesem Einsatz. Drei Minuten später fand er die beiden Streifenbeamten, die an eine Hauswand gelehnt rauchten.

„Seid ihr noch ganz dicht? Ihr sollt den Hintereingang observieren, verdammte Scheiße, und der ist dahinten!“

Davids rannte weiter.

Standen die beiden Schupos an der falschen Ecke. Immerhin liefen sie jetzt hinter ihm her. Die

drei Männer konnten sich überall verstecken, war gar keine Schwierigkeit. Jedes dieser Häuser hatte einen Keller, eine offene Tür, und schon waren sie verschwunden. Da hätte eine Hundertschaft nicht ausgereicht. Joe Davids gab auf. Er blies die Jagd ab.

„Volltrottel“, zischte er.

„Langsam, langsam Herr Obermotz“, erwiderte Rapka keuchend. „Wenn keine klaren Befehle kommen, dann...“

„Aber sie wußten doch, welches Lokal wir einsatzmäßig im Auge hatten?“

„Die sind aber rückwärtig nicht bezeichnet, oder?“ entschuldigte sich Kuhlebert. Joe Davids wußte genau, worauf die beiden hinauswollten. Er hatte keine Lust sich mit ihnen anzulegen. Sie kamen ihm irgendwie bekannt vor, aber er konnte dieses Gespann nirgendwo einordnen.

„Ich halt die Klappe, okay?“

„Recht so“, gab Rapka zurück.

Dann liefen sie zurück zum Einsatzwagen. Fortsetzung folgt morgen

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