Kapital für die Alternativwirtschaft

■ Selbstverwaltete Betriebe legen wirtschaftspolitischen Forderungskatalog vor / Kernstück soll eine Eigenkapitalbeteiligungsgesellschaft sein

Nun wollen auch die selbstverwalteten Betriebe an die rot -grünen Geldtöpfe: ihre wirtschaftspolitischen Forderungen an den neuen Senat stellten Vertreter der Berliner Selbstverwaltungswirtschaft gestern im Mehringhof der Presse vor. „Bisher ist noch nicht viel passiert“, so die Kritik von Franz-Josef Bartsch von der Netzwerk Betriebsberatungs GmbH. Vermißt würden besonders neue konzeptionelle Ideen für eine alternative Wirtschaftspolitik und Überlegungen, wie neue Arbeitsformen und die umwelt- und sozialverträgliche Produktion gefördert werden können. Gemäß den Koalitionsvereinbarungen sollen zwar Vertreter der Selbstverwaltungswirtschaft - inzwischen immerhin rund 500 Betriebe mit 4.000 bis 5.000 Beschäftigten - zwei Plätze in der Sonderkommission „Arbeitsplätze für Berlin“ besetzen.

Bislang hat die Kommission jedoch noch kein einziges Mal getagt. In der Senatsverwaltung für Wirtschaft fänden Vertreter selbstverwalteter Projekte bislang allerdings noch wenig Verständnis für ihre spezifischen Probleme, beklagt Uti Hennecke von der Stattwerke Beratungs e.G.: „Die behaupten einfach, das Förderungsinstrumentarium reiche aus.“

Genau das finden die Selbstverwalteten jedoch nicht. Noch immer stünden die alternativ organisierten Betriebe „ohne Chef“ vor erheblichen Hemmnissen, wenn es um finanzielle Förderung, Kredite und Investitionen gehe. Traditionelle Förderprogramme wie das ERP-Programm (European Recovery Programm) zur Förderung von Existenzgründungen greifen nicht, wenn es um Klein- und Kleinstgründungen, wie sie gerade von Frauen oft angestrebt werden, oder um Gründungen im Dienstleistungsbereich geht.

Banken zögern oftmals mit der Kreditvergabe oder haben kein Interesse an sogenannten Kleinkrediten. Gefordert wird daher eine entsprechende Änderung der Förderrichtlinien. Kernstück des Forderungskatalogs ist jedoch die Errichtung einer Kapitalbeteiligungsgesellschaft durch den Berliner Senat. Gerade an der ungünstigen Eigenkapitalstruktur scheitern nämlich viele Existenzgründungen, etwa wenn sich ehemals Arbeitslose selbständig machen wollen. Für die Kapitalbeteiligungsgesellschaft soll der Berliner Senat ein Fondvermögen von zehn Millionen Mark zur Verfügung stellen. Dieses Geld soll dann in Form langfristiger Kredite in Höhe von 50.000 bis 500.000 Mark den Betrieben zur Verfügung gestellt werden und erst nach einer fünf- bis siebenjährigen Laufzeit zurückgezahlt werden müssen.

Andere Forderungen an den Senat beziehen sich auf die Verbesserung des Beratungsangebote für selbstverwaltete Betriebe und neugegründete Unternehmen. Auch Frauenbetriebe, so die Forderung von Gerda Lischke vom „Gründungsrausch“ und der Europa-Abgeordneten Birgit Cramon-Daiber vom Frauennetzwerk „Goldrausch“, soll der rot-grüne Senat in Zukunft gezielt fördern.

„Mit unseren Forderungen sind wir dabei noch ziemlich zurückhaltend“, erklärt Constantin Bartning vom Transfer graphischer Betriebe e.V.: „Man muß doch nur mal vergleichen, welche Geldgeschenke in Form von Investitionszulagen bislang üblich waren.“ Großen Unternehmen wie der Schering AG hätte der Senat bislang bis zu 40 Prozent ihrer Investitionen finanziert.

-guth