: Überflüssig wie ein Kropf
■ Austausch altbekannter Argumente auf der Sondersitzung des Abgeordnetenhauses zum Aufenthaltsrecht für Flüchtlinge
Mit den Stimmen von SPD und AL hat das Abgeordnetenhaus gestern auf seiner Sondersitzung die Weisung des Innensenats zum verbesserten Aufenthaltsrecht für Flüchtlinge begrüßt. Der Antrag der CDU-Fraktion auf Rücknahme der Weisung wurde erwartungsgemäß abgelehnt. Der von der CDU in Aussicht gestellte Mißtrauensantrag gegen Pätzold wurde gar nicht erst gestellt. Die sechs CDU-Abgeordneten, die für diesen Fall aus exotischeren Urlaubsländern hätten einfliegen müssen, können ihre Ferien also getrost fortsetzen.
Anläßlich der Sondersitzung sprach sich amnesty international für die Beibehaltung der Senatsweisung aus. Deren Bestimmumgen stünden voll im Einklang mit dem Abschiebeverbot der UNO-Antifolterkonvention, die das Bundeskabinett vor wenigen Tagen in Bonn ratifiziert hatte.
Nach Angaben Pätzolds profitieren etwa 2.600 Flüchtlinge, die aufgrund der Situation in ihrem Heimatland nicht zurückkehren können, von der Weisung des Senats. Eine weitaus geringere Anzahl von Asylbewerbern, die bereits seit fünf Jahren in Berlin leben, könne ebenfalls eine einjährige Aufenthaltserlaubnis beantragen. Pätzold betonte erneut, daß ehemalige ausländische Straftäter nur unter der Voraussetzung einer positiven Prognose der Anstalt für eine „Duldung auf Bewährung“ in Frage kommen. Er persönlich könne sich nicht vorstellen, daß Gefangene, die wegen schwerer Gewaltdelikte oder professionellen Drogenhandels verurteilt worden sind, für eine solche Duldung in Frage kämen.
Durchsetzt von unzähligen Zwischenrufen und akustisch durchdringenden Interventionen des Parlamentspräsidenten Jürgen Wohlrabe wurde vier Stunden lang Altbekanntes vorgetragen. Diepgen warf dem rot-grünen Senat zum wiederholten Mal vor, Berlin zu einem „Einwanderungsort“ für Flüchtlinge zu machen, und unterstellte wahltaktische Gründe: Der Senat wolle immer mehr Ausländer und immer weniger Deutsche in Berlin und vor diesem Hintergrund das kommunale Ausländerwahlrecht einführen. Mit der Weisung werde Ausländerfeindlichkeit und Rechtsradikalimsus geschürt. Der CDU-Abgeordnete Wruck sprach in seiner Rede zwar nicht mehr von einem „Mekka für ausländische Straftäter“, kündigte aber „erbitterten Widerstand gegen die Weisung“ an. Dafür wurde ihm in einer Redepause von Mitarbeitern einer Flüchtlingsorganisation prompt der Handschlag verweigert. Die hatten den CDU-Abgeordneten noch als relativ liberalen Ausänderpolitiker in Erinnerung. „Glauben Sie eigentlich, was sie da faseln?“ wollte eine wissen und verlangte vergeblich eine Erklärung für den „Sinneswandel“.
Den Vorwurf, dem Rechtsradikalismus Vorschub zu leisten, returnierte postwendend der Regierende Bürgermeister Momper an die Opposition und beschuldigte sie „rassistischer und chauvinistischer“ Argumente, die wie „Pflastersteine“ geschleudert würden. Die Fraktionsvorsitzende der AL, Bischoff-Pflanz, sprach von einer an „Volksverhetzung grenzenden Schlammschlacht“ seitens der CDU und wünschte sich „soviel emotionale Energie einmal zugunsten eines Flüchtlings.“
Mangels Zugangsmöglichkeiten zu den Rednerpulten des Rathauses meldete sich die FDP in einer Pressemitteilung zu Wort und kritisierte die Weisung des Senats besonders in Bezug auf die Regelung für ehemalige Straftäter. Die Zahl der Ermittlungsverfahren gegen Ausländer sei im Vergleich zum vergangenen Jahr um rund ein Drittel gestiegen, behauptete der ehemalige Justizstaatssekretär, Alexander von Stahl. Der Sprecher der Innenverwaltung, Thronicker, wies den Vergleich als unzulässig zurück. Es gehe nicht um straffällige Ausländer, sondern um Straftaten von Asylbewerbern. Diese seien deutlich zurückgegangen.
anb/ap
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