: Zeit der strengen Zensuren?
■ Die sowjetische Presse lobt und tadelt die streikenden Arbeiter
„Zeit der strengen Zensuren“ - so lautet die Überschrift des Artikels in der 'Sowjetskaja Rossija‘ über den Bergarbeiterstreik. Gemeint sind damit die Zensuren, die die Bergarbeiter der staatlichen Politik erteilen. Aber ihrerseits schwingt sich jetzt die Zeitung zum Oberlehrer auf - Schüler sind bei ihr Arbeiter. Die 'Sowjetskaja Rossija‘, die Disziplin und Organisation der Arbeiter über den grünen Klee lobt, stellt sie doch andererseits als ziemliche Tölpel hin, die einfach nicht genug Ökonomie studiert haben, um über ihre Angelegenheiten zu entscheiden.
Derweil wissen 'Prawda‘ und die Nachrichtenagentur 'Tass‘ politische Forderungen auf den Bergarbeiterversammlungen zu denunzieren, deren Inhalt sie gar nicht wiedergeben, die ihrer Berichteestattung nach aber nur von obskuren Randgruppen vorgetragen wurden: Bei 'Tass‘ ist es ein Vertreter der Menschenrechtsgruppe Helsinki-Komitee im ukrainischen Makejewki, der sich „grob in die Angelegenheiten der Bergarbeiter einmischte“ - mit „Hetzparolen“, wie der Agentur ein empörter Kumpel erzählt hat. Die 'Prawda‘ ihrerseits berichtet von dem Auftritt eines Mitglieds der „sogenannten Demokratischen Union“ in Kemerowo. Diese zahlenmäßig unbedeutende Gruppe war seinerzeit die erste, die in der Sowjetunion die Forderung nach einem Mehrparteiensystem erhob - eine Position, die heute viele Volksfronten vertreten. „Eine halbe Stunde später“, so berichtet die 'Prawda‘, wurde an die Tribüne ein Plakat mit der Aufforderung geklebt: „Demokratische Union auf die Halde!“ Dafür vergibt der 'Prawda'-Berichterstatter eine dicke Eins.
BK
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